Treffen mit Trump – «Merkel ist nicht nachtragend»

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Treffen mit Trump«Merkel ist nicht nachtragend»

Angela Merkel trifft heute Donald Trump. Merkel wird souverän sein – und bleiben. Für sie ist es lediglich ein weiteres Kapitel aus der Serie «Mutti und die starken Männer».

Getroffen haben sie sich noch nie. Nach dem Wahlsieg Donald Trumps haben sie kurz miteinander telefoniert. Und zuvor voneinander gehört – vor allem Beleidigendes von der US-Seite. Angela Merkel sei die falsche «Person des Jahres», giftete Trump. Das «Time Magazin» hätte besser ihn gewählt, denn Merkel treibe Deutschland mit ihrer Flüchtlingspolitik in den Ruin, das Land versinke in Kriminalität und Chaos, das Volk werde sich gegen sie auflehnen, Menschen ihretwegen auswandern. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin gab es von Trump wenig Mitgefühl, mehr Genugtuung: «Ich habs ja gesagt», twitterte er.

Wie begegnet man jemandem, der solche Spitzen von sich gibt? «Angela Merkel ist nicht nachtragend», sagt ein Merkel-Kenner, der sie lange politisch begleitet hat.

Sie hat die Fähigkeit, Personen gut einzuschätzen und einzubinden. Sie kann sie für sich gewinnen, ohne zur Schleimerin zu werden. Das zeigte sich auch im Verhältnis zu Barack Obama, der Merkel anfangs kühl und von oben herab begegnete, und für den sie später zu seiner «wichtigsten Partnerin» wurde. Auch mit Nicolas Sarkozy hatte sie es anfangs schwer, in der Finanzkrise aber wurden die beiden zum Duo Merkozy.

«Sie denkt immer vom Ende her»

Auf Trumps Spitzen reagierte Merkel nie. Selbst wenn er sie bei dem Treffen wiederholen sollte – sie würde nie ihre Façon verlieren, dafür sei sie zu professionell. «Sie ist eine Politikerin, die immer vom Ende her denkt», so der einstige Merkel-Intimus. Heißt: Bei Treffen und Verhandlungen stehen für Merkel immer Ziele und Aufgaben im Fokus, die sie als deutsche Kanzlerin hat. Aus der Rolle der Staatsfrau fällt sie nicht.

Bei dem Treffen mit Trump steht das persönliche Kennenlernen im Vordergrund, weswegen man ganze vier Stunden zusammen verbringt. Diese Stunden werden die Gegensätze der beiden in Stil und Substanz kaum kleiner machen: Hier die wohlüberlegte Physikerin, dort der impulsive Showman.

Interview aus dem «Playboy» zur Vorbereitung

Um sich vorzubereiten, hörte Merkel Trumps Reden und las alle seine Interviews – bis in die 1990er-Jahre, als er mit dem «Playboy» sprach. Und weil sie weiß, dass Wissen Macht ist, kennt sie ihre Dossiers in- und auswendig. Wenn bei dem Treffen etwa die Klimapolitik zur Sprache kommt, kann die ehemalige deutsche Umweltministerin aus dem Vollen schöpfen. Trump hingegen findet das Studieren dieser Dossiers nach eigenen Angaben eher überflüssig.

Trump hat Selbstbewusstsein, aber das hat Merkel auch – und davon wahrscheinlich sogar mehr. Seit 2005 ist sie Bundeskanzlerin und kennt ihre Politikerpappenheimer auf dem nationalen und internationalen Parkett: Aggressiven Staatsmännern begegnet sie offen, lässt sich von ihnen nicht ins Bockshorn jagen. So blieb etwa der Einschüchterungsversuch eines Wladimir Putin erfolglos, der bei einem Treffen 2007 seinen Hund trotz Merkels Hundeangst frei herumlaufen ließ.

Mit Jiu-Jitsu gegen Schüsse aus der Trump-Hüfte

Kommt dazu, dass Merkel in der Zeit vor ihrer Kanzlerschaft gelernt habe, mit selbstbewussten Wirtschaftsführern umzugehen und sich Respekt zu verschaffen, so der Merkel-Kenner. Mit einem reichen amerikanischen Immobilienhändler zu verhandeln, sei für sie nichts Neues.

Trumps Unberechenbarkeit macht das Treffen zwar unbestritten zu einer Herausforderung für Merkel und ihr Team. Dem setzt die Kanzlerin das Prinzip der fernöstlichen Kampftechnik Jiu-Jitsu entgegen: Lass den Gegner ins Leere laufen. Sie wird abwarten und schauen, was da für Schüsse aus der Trump-Hüfte kommen werden. Das kann Merkel, es ist eines ihrer Erfolgsrezepte im Umgang mit den «starken» Männern.

(L'essentiel/Ann Guenter)

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