Kubaner vernetzen sich – Mit 20 Tweets ist der Monatslohn weg

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Kubaner vernetzen sichMit 20 Tweets ist der Monatslohn weg

Im Land mit der zweitschlechtesten Internet-Verbindungsrate der Welt müssen die Nutzer erfinderisch sein. Twitter ist nur für Hartgesottene.

Die Zahl der aktiven Twitterer in Kuba ist überschaubar: Einige Dutzend trafen sich nun zum ersten Mal persönlich in der Hauptstadt Havanna. (Bild: Keystone)

Die Zahl der aktiven Twitterer in Kuba ist überschaubar: Einige Dutzend trafen sich nun zum ersten Mal persönlich in der Hauptstadt Havanna. (Bild: Keystone)

Die Zahl der aktiven Twitterer in Kuba ist überschaubar: Einige Dutzend trafen sich nun zum ersten Mal persönlich in der Hauptstadt Havanna. Zu diskutieren gab es genug, schließlich haben Internet-Nutzer auf der Insel mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Denn Kuba ist das Land mit der zweitschlechtesten Internet-Verbindungsrate auf der Welt, die Zugänge sind deshalb teuer und langsam. Und von einem PC zu Hause können die meisten nur träumen.

Bei dem Treffen in der vergangenen Woche stellten sich die Twitterer mit ihren Online-Namen vor, tauschten Erfahrungen mit sozialen Netzwerken aus und verglichen Follower-Zahlen. «Viele von uns kannten sich nicht», sagte «alondraM», die nur ihren Usernamen nennen wollte. «Es geht darum, hinter dem (at)-Symbol hervorzutreten.» Alejandro Cruz, im Netz «cuba1er.plan», erklärte, seine Landsleute nutzten immer häufiger soziale Netzwerke, um sich auszutauschen und Informationen weiterzugeben.

Viele sind es allerdings noch nicht. Kuba hinkt bei der Internet-Nutzung dem Rest der Welt deutlich hinterher. Nur die Insel Mayotte im Indischen Ozean ist noch schlechter an das Internet angebunden als Kuba, wie die Beratungsfirma Akamai Technologies in einem Bericht erklärte. Wegen des Wirtschaftsembargos durch die Vereinigten Staaten ist Kuba nicht über Kabel mit der Welt verbunden und damit abhängig von langsamen und teuren Satellitenverbindungen.

Hoffen auf Glasfaser

Die Twitterer hoffen jedoch auf Verbesserung, seit ein unterirdisches Glasfaserkabel Kuba mit Venezuela verbindet. Es könnte noch in diesem Monat freigeschaltet werden. Bis das geschieht, ist noch mühseliges Einwählen angesagt. Selbst diese Möglichkeit steht nicht ständig zur Verfügung, denn die Regierung will nach eigenen Angaben die begrenzten Zugänge vorrangig für soziale Zwecke einsetzen.

Nur 2,9 Prozent der Kubaner haben nach Angaben des Statistik-Büros direkten Zugang zum Internet, meist über ihre Schulen oder Arbeitsplätze. Diese Zahl schließt allerdings nicht den Schwarzmarkt ein, auf dem Internetzugänge minutenweise verkauft werden. Die tatsächliche Zahl der Internetnutzer liegt wohl eher zwischen fünf und zehn Prozent, wie der Soziologe Ted Henken vom Baruch College in New York erklärte.

Kompliziertes Vorgehen

Die kubanischen Twitterer müssen sich gleich mehreren Herausforderungen stellen. Im Inland ist die Zahl ihrer möglichen Follower begrenzt. Außerdem schränken die Kosten und limitierten Zugänge die Zeit ein, die sie online verbringen können. Und während Twitter in anderen Ländern besondern bei den Smartphone-Usern beliebt ist, findet die meiste Interaktion in Kuba an Computern statt.

Wenn ein User trotzdem von unterwegs einen Tweet absetzen will, schickt er eine SMS an eine Nummer im Ausland, von wo sie dann gepostet wird, wie Mario Leonart aus Villa Clara, im Netz «maritovoz», erklärte. Ein teurer Umweg: Vier Dollar kostet die Einrichtung, hinzu kommt ein weiterer Dollar pro Tweet. Mit nur 20 Tweets ist das durchschnittliche kubanische Monatseinkommen aufgebraucht. Manche Twitterer setzen darum auf finanzielle Hilfe ihrer Follower im Ausland.

«Twitter ist politisch»

Henken sieht in Twitter zumindest das Potenzial, die staatlich gelenkten Medien herauszufordern. «Wie im Rest der Welt kann es genutzt werden, um die etablierten Medien zurückzudrängen», sagte er. «Und in Kuba sind die etablierten Medien natürlich die staatlichen Medien.»

Das Treffen in Havanna wurde organisiert von dem 26-jährigen Leunam Rodriguez, Mitarbeiter eines Radiosenders. Er beschreibt sich als unpolitisch und wollte auf das Treffen so verstanden wissen. «Ich gehöre keiner Organisation an», sagte er. «Ich bin einfach ein Kubaner.»

Für Henken ist Twittern in Kuba allerdings immer politisch, egal, um welches Thema es geht. «Ich glaube, Twitter ist politisch, selbst wenn es nicht politisch ist», erklärte er. «Selbst wenn man Twitter benutzt, um für ein Nähkränzchen zu werben, ist es politisch, weil es ungefiltert ist.»

L'essentiel Online/AP/Andrea Rodriguez

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