Luxemburger angeschossenMutter des 17-jährigen Villerupt-Opfers erzählt ihre Geschichte
VILLERUPT/LUXEMBURG – Fast eine Woche nach der folgenschweren Schießerei im ostfranzösischen Villerupt hat Cindy – die Mutter des jungen Luxemburgers, der von einer Kugel am Kopf getroffen wurde – mit L'essentiel über die Geschehnisse vom 13. Mai gesprochen.
- von
- Nicolas Chauty

Vergangenen Samstag hat eine Schießerei mit mehreren – teils schwer – Verletzten in Ostfrankreich die Gemeinde Villerupt und die umliegende Grenzregion erschüttert. Auch ein Luxemburger ist Opfer der Schüsse geworden. Mit L'essentiel hat die Mutter des 17-Jährigen ihr Erlebtes geteilt. «Manchmal denke ich, dass es meine Schuld ist...» Seit dem 13. Mai, der Tag, an dem eine Kugel ihren Sohn am Kopf getroffen hatte, quälen die Mutter Cindy düstere Gedanken. Der junge Mann ist offenbar ein Kollateralopfer einer Schießerei geworden, die als Vergeltungsschlag für eine Demütigung zwischen rivalisierenden Banden verübt worden sein soll. Die Behörden gehen derzeit von einer Tat im Zusammenhang mit dem Drogenhandel aus.
«Ich will der Welt zeigen, wer mein Sohn ist», beteuert die 45-jährige Frau in einem Gespräch mit L'essentiel am heutigen Freitag. Sie beschreibt ihn als einen liebevollen Menschen, der stets seine Mutter wie auch seine sechsjährige Schwester beschützt habe. «Er führt ein für sein Alter völlig normales Leben und ist sehr beliebt bei seinen Freunden», erzählt Cindy, die während des Interviews immer wieder in Tränen ausbricht.
Am Abend der Tragödie befand sie sich in ihrer Wohnung, in der sie mit ihren Kindern lebt – nur wenige Straßen vom Ort der Schießerei entfernt. «Alle haben die Schüsse gehört, nur ich nicht, als hätte ich es unterbewusst verdrängt.» Weiter erzählt sie, wie es an ihrer Tür geklingelt habe und von den Schreien auf der Straße. Sofort sei sie zu ihrem am Boden liegenden Sohn gerannt, der schon von Rettungskräften behandelt wurde. «Er wurde seitlich am Kopf getroffen, die Kugel konnte entfernt werden, aber es sind noch Splitter vorhanden», erklärt sie weiter.
Cindy und ihre Kinder haben die luxemburgische Staatsangehörigkeit. Das junge Schussopfer ist im Großherzogtum geboren und arbeitete als Auszubildender in Belval, bis sein Arbeitsvertrag vor einigen Wochen aufgelöst wurde. «Seine Leidenschaft ist die Musik, er will sich passendes Equipment für seinen Durchbruch besorgen», so die Mutter, die 2019 mit ihren Kindern nach Villerupt gezogen war, nachdem sie einige Jahre in Mayotte, einer Inselgruppe im Indischen Ozean, verbracht hatte.
Da ihre finanziellen Mittel eine Rückkehr ins Großherzogtum unmöglich gemacht habe, entschied sie sich die Alleinerziehende an die französische Grenze zu ziehen. Die Umstände in Villerupt seien nicht einfach gewesen, aber Cindy versichert, dass ihr Sohn nie in dubiöse Machenschaften verwickelt war und auch keine Kontakte ins Drogenmilieu pflegte. «Das Video mit der für die Tat verantwortliche Demütigung? Ja, wir haben davon gehört, wie alle anderen auch, aber selbst mein Sohn hat mir gesagt, dass ihn das nicht groß interessiere. Wir wussten, dass seit einigen Wochen in der Umgebung, Spannungen herrschten. Ich hatte ihn sogar darum gebeten, vorsichtig zu sein.» Es sollen Gerüchte darüber kursieren, dass es an derselben Stelle Tage zuvor bereits einen ähnlichen Vorfall gab, bei dem jedoch die Schusswaffe nicht gezündet haben soll.
Ihr Sohn wäre einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, ohne das er hätte zur Zielscheibe werden sollen. «Freunde meines Jungen kamen zu mir und weinten in meinen Armen. Glauben Sie, dass ein Drogendealer oder ein Schläger so viel Sympathie auf sich gezogen hätte?», fragt Cindy, die einen Anwalt eingeschaltet hat und ihr Vertrauen nun in die Hände der Justiz legt.
Villerupt verlassen und neu anfangen
Am heutigen Freitag lag ihr Sohn noch immer im Koma. «Er hat durch die Intubation eine Lungeninfektion erlitten. Sein Zustand ist zwar stabil, aber er muss sich weiter ausruhen», so die 45-Jährige, die hofft ihren Sohn bald wieder in die Arme schließen zu können. Dieser könnte möglicherweise auch weitere Details zu dem folgenschweren Vorfall liefern, sobald er wieder aus dem Koma erwacht ist.
Auch im Sinne der weiteren Opfer möchte sie alle Erkenntnisse vor Gericht bringen und die Ermittlungen weiter vorantreiben. «Danach ist sicher, dass wir Villerupt verlassen werden. Ich gehe jeden Tag mit meiner kleinen Tochter an der Stelle der Schießerei vorbei, es ist grausam», erklärt die Alleinerziehende, die auch ihr Bedauern darüber ausdrückt, dass die Stadtverwaltung im Vorfeld nichts unternommen habe.
«Ich will keine Spirale des Hasses oder Rache – ich will Gerechtigkeit. Man hat mir vorgeworfen, dass ich ein Foto mit ihm auf dem Krankenhausbett auf den Sozialen Netzwerken gepostet habe, aber ich stehe nach wie vor dazu, es ging darum, die Kollateralschäden dieser Gewaltakte aufzuzeigen», so die Mutter. Ob der 17-Jährige an Folgeschäden der Verletzungen leiden wird, ist laut den behandelnden Ärzten derzeit noch unklar. Sie warte nun darauf, dass ihr Sohn aus dem Koma erwacht und seine Träume endlich verwirklichen kann.