Gesundheitssystem überlastet: Nach Aufhebung von «Zero Covid» – Coronawelle überrollt China

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Gesundheitssystem überlastetNach Aufhebung von «Zero Covid» – Coronawelle überrollt China

Das Ende der Null-Covid-Maßnahmen trifft viele Krankenhäuser in China unvorbereitet. Vor den Notaufnahmen bilden sich lange Schlangen. Patienten infizieren Ärzte. Dabei dürfte das erst der Anfang sein.

Auslöser für die Lockerungen waren die Proteste. Auf dem Video protestieren Studierende in Peking gegen die Null-Covid-Politik.

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Nach der Lockerung der strengen Null-Covid-Strategie in China müssen viele Krankenhäuser einen Ansturm von Infizierten bewältigen. In Metropolen wie Peking, Guangzhou, Chengdu oder Shijiazhuang erlebten sie «den ersten Schock einer gigantischen Welle von Infektionen und einen Mangel an Gesundheitspersonal», schrieb das renommierte Wirtschaftsmagazin Caixin am Montag und sprach von «Covid-Chaos». Notaufnahmen sind überfüllt. In langen Schlangen müssen Hilfesuchende bis zu fünf, sechs Stunden warten – bei teilweise winterlichen Temperaturen.

In einer radikalen Kehrtwende hatte die Regierung vergangenen Mittwoch ihre rigorose Null-Covid-Strategie weitgehend aufgehoben. Lockdowns wurden beendet, die strenge Testpflicht und zwangsweise Quarantäne oder Isolation von Kontaktpersonen weitgehend gelockert. Schon vorher hatte es gleichwohl Anzeichen gegeben, dass die Zahl der Infizierten spürbar anstieg und die Testkapazitäten und behördliche Nachverfolgung der Infektionen längst nicht mehr mithalten konnten.

«Die gegenwärtige Omikron-Mutation ist hoch ansteckend», erklärte der führende chinesische Epidemiologe und Regierungsberater Zhong Nanshan in einem Interview die 180-Grad-Wende der Regierung. Die Epidemie verbreite sich gegenwärtig sehr schnell. «Unter solchen Umständen ist es schwierig, die Übertragungsketten komplett zu unterbrechen – egal, wie stark die Vorbeugung und Kontrolle sind.»

Krankenhäuser konnten sich nicht auf Kurswechsel vorbereiten

Der überraschende Kurswechsel traf viele Krankenhäuser aber weitgehend unvorbereitet. Ein grosses Problem ist es, Covid-Fälle von anderen Patienten zu trennen und das eigene Personal zu schützen. Infizierte stecken vielfach schon Ärzte und andere Mitarbeiter an. «Unser Hospital verfolgt jeden Tag strenge Schutzmaßnahmen, aber mit dem Anstieg der Patienten ist die Infektionsrate unter unseren medizinischen Mitarbeitern hoch», zitierte die Zeitung Zhongguo Shibao einen Arzt eines Krankenhauses in der Südprovinz Guangdong.

Das bisherige strenge Vorsichtsprotokoll wird teilweise auch schon gelockert. Eine Ärztin in Peking berichtete, dass sie trotz eigener Infektion weiterarbeiten muss. Auch wird die Definition von Kontaktperson weiter gefasst als bisher. Wo es noch streng gehandhabt wird, sind große Teile der Ärzte und Pfleger nicht im Dienst, weil sie selbst infiziert oder als enge Kontakte in Isolation sind.

Fallzahlen sind nicht mehr verlässlich

Vor dem Chaoyang Krankenhaus in Peking standen am Wochenende Menschen stundenlang an, wärmten sich bei kaltem Winterwetter und Temperaturen von maximal sechs Grad mit heißen Fertignudelsuppen. Jüngere Familienmitglieder standen in der Schlange für ältere an. Experten fürchten, dass die Corona-Welle jetzt besonders ältere Menschen treffen wird, die in China aus Angst vor Nebenwirkungen vielfach nicht ausreichend geimpft sind. Nur 40 Prozent der Menschen, die älter als 80 sind, haben bislang eine Booster-Spritze bekommen.

Führende Epidemiologen sagten nach Angaben der parteinahen Zeitung Global Times, dass die Infektionswelle innerhalb von einem Monat den Höhepunkt erreichen werde. Da nicht mehr getestet und wohl auch kaum noch gemeldet wird, spiegeln die offiziellen Fallzahlen längst nicht mehr das Geschehen wider. Krankmeldungen in Unternehmen steigen rasant in die Höhe. «Ich kenne allein 25 positive Fälle oder Erkrankte in meinem Umfeld», schilderte eine Pekingerin. Ein anderer schätzte, dass ein Drittel seiner Bekannten krank sei. Auch die deutsche Botschaft in Peking war betroffen: «Krankheitsbedingt» hatte die Rechts- und Konsularabteilung am Montag geschlossen.

(DPA/smk)

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