Turin – Nach Massenpanik stehen die Behörden in der Kritik

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TurinNach Massenpanik stehen die Behörden in der Kritik

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der Anwesenheit von etwa hundert Randalierern mit Stadionverbot. Auch Turins Bürgermeisterin wird kritisiert.

Nach der Massenpanik auf der Piazza San Carlo in Turin hat die Polizei zwei Jugendliche vernommen, wie verschiedene Medien berichten. Sie werden verdächtigt, die Panik ausgelöst zu haben. Die beiden waren durch die Bilder von Videoüberwachungskameras identifiziert worden. Sie bestreiten den Vorwurf und mussten nach mehrstündigen Vernehmungen wieder freigelassen werden.

Die Behörden in Turin stehen unter Kritik. Der Kommune wird vor allem vorgeworfen, dass Glasflaschen auf dem Platz verkauft oder mitgebracht wurden. «Sehr viele Verletzte haben sich an Glas geschnitten, und das hätte leicht vermieden werden können», sagte der Gesundheitsbeauftragte der Region Piemont, Antonio Saitta. Die Kommune erklärte, es werde untersucht, ob und warum Schwarzhändler Flaschen verkauften und wer dafür verantwortlich sei. Die Kritik richtete sich auch gegen Bürgermeisterin Chiara Appendino, weil das Sicherheitskonzept mangelhaft gewesen sei

30.000 Menschen verfolgen in Turin das Champions-League-Finale beim Public Viewing. Plötzlich bricht eine Panik aus.

Auch hat die Polizei Ermittlungen aufgenommen, weil sich rund hundert Hooligans mit Stadionverbot beim Public Viewing befunden haben sollen. Randalierer hätten bereits vor Beginn der Übertragung des Champions-League-Finals Rauchbomben und Knallkörper gezündet. Das berichteten mehrere Augenzeugen.

Der Mann mit nacktem Oberkörper

Im Visier der Ermittler steht ein Mann, der auf Fotos mit nacktem Oberkörper zu sehen ist. Ob der junge Mann, der mit einem Rucksack auf den Schultern und mit ausgebreiteten Armen durch die Menschenmenge lief, Feuerwerkskörper zündete, ist unklar. Die Polizei schloss inzwischen jedoch aus, dass die Explosion eines Knallkörpers die Panik ausgelöst haben könnte.

Bei der Massenpanik während der Übertragung des Champions-League-Endspiels sind mehr als 1500 Menschen verletzt worden. Mehrere tausend Zuschauer hatten sich auf dem zentralen Platz San Carlo versammelt, um das Spiel ihres Heimatvereins Juventus Turin gegen Real Madrid auf einer Großleinwand zu verfolgen. Nach der Explosion einiger Feuerwerkskörper und Rufen, dass eine Bombe hochgegangen sei, liefen die Zuschauer in Panik davon.

Siebenjähriger im Koma

Drei Menschen wurden nach Angaben der örtlichen Behörden schwer verletzt, unter ihnen ein chinesischer Junge. Medienberichten zufolge lag der Siebenjährige mit schweren Brustverletzungen im Koma, nachdem er niedergetrampelt wurde.

Die meisten Verletzten mussten mit Schnittwunden behandelt werden, die sie sich durch zerbrochene Bierflaschen zugezogen hatten. Andere Zuschauer stürzten bis zu zwei Meter in die Tiefe, als ein Geländer am Eingang eines Parkplatzes unter dem Druck der Massen einbrach. Die Piazza San Carlo war übersät mit Blutflecken sowie Hunderten Rucksäcken, Schuhen und anderen Kleidungsstücken, welche die Zuschauer bei ihrer Flucht verloren hatten.

«Alle sind über mich getrampelt»

«Ich habe Blut an mir von Menschen, die auf mich gestürzt sind», sagte Juventus-Fan Luca. «Es war wirklich schrecklich.» Er habe an den Anschlag auf ein Konzert in Manchester vor knapp zwei Wochen denken müssen. Ein anderer Zuschauer berichtete, er sei ebenfalls zu Boden gedrückt worden. «Alle sind einfach über mich hinweg getrampelt», sagte Giulio. Er sei von all seinen Freunden getrennt worden und habe «nicht die geringste Ahnung, was passiert ist».

Bei älteren Fans weckte der Vorfall in Turin Erinnerungen an die Stadion-Katastrophe von Heysel im Jahr 1985. In dem baufälligen Fußballstadion in Brüssel war es vor dem Finale des Europacups der Landesmeister zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool zu einer Massenpanik gekommen. 39 Menschen starben.

(L'essentiel/oli/nag/afp)

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