Bloggerkonferenz in Berlin – Nerds, Politik und Internet

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Bloggerkonferenz in BerlinNerds, Politik und Internet

Auf der Bloggerkonferenz re:publica in Berlin dreht sich momentan alles um die Freiheit im Netz. 4000 Visionäre, Nerds und Webworker kommen hier zusammen.

Für Netz-Visionäre, Nerds und Webworker führt bis Freitag kein Weg um Berlin herum. Am Mittwoch begann dort die sechste Ausgabe der re:publica, die deutschlandweit größte Konferenz mit 4000 Besuchern und 250 Rednern aus 30 Ländern, die sich mit dem Thema Internet im weiteren Sinn beschäftigt. Von Sozialen Netzen über die Blogger-Szene bis zu den heiß diskutierten Themen Urheberrechtsschutz, Privatsphäre und digitale Bürgerrechte dreht sich alles um das Netz der Netze und die Menschen, die es benutzen und ihm Form geben.

Im Gegensatz zu klassischen IT-Messen wie der CeBIT versteht sich die re:publica bewusst auch als politische Diskussionsplattform. Das Motto der diesjährigen Ausgabe - «ACT!ON» - zeigt, wo die Schwerpunkte liegen. Politischer Aktivismus via Internet hat es spätestens seit Anonymous in die Mainstream-Medien geschafft, der arabische Frühling war zum Teil «powered by Twitter», Tausende gingen gegen das umstrittene Acta-Abkommen auf die Straße, Wikiplag stürzt Minister und die Piraten räumen einen Wahlerfolg nach dem anderen ab.

Chancen und Gefahren des Netzes

Das Internet ist politisch und auf der Konferenz in einem ehemaligen Postbahnhof am Gleisdreieck in Berlin-Mitte wird dies auch laut und deutlich gesagt. Auch wenn sich am Rande der re:publica12 längst Kommerz und Web-Industrie tummeln, bleibt die Konferenz etwas Besonderes. Seit der ersten Ausgabe im Jahr 2007 ist sie eine Plattform für den Ideenaustausch rund um innovative Kommunikationsansätze und die Rolle des Internets in Politik und Gesellschaft. Auf der re:publica wird immer wieder deutlich, dass das Internet viel mehr als ein Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsmedium ist, sondern auch ein mächtiges soziales Instrument, das die Chance birgt, Demokratie und Bildung in der Welt zu fördern und zu stärken.

Freiheiten, die gerade wieder bedroht sind. So wird in China das Netz zensiert. In westlichen Rechtsstaaten würden einige Konzerne die ungeahnten Möglichkeiten der digitalen Welt am liebsten nur für die eigenen, kommerziellen Zwecke in Beschlag nehmen. Und so manche Regierungen versucht, die neue Freiheit unter dem Vorwand des Kampfes gegen Urheberrechtsverstöße und Terrorismus gerne tot zu regulieren.

Die Datenkrake und die Redefreiheit

So zeichnete auch gleich zu Beginn der Konferenz Eben Moglen, Rechtsprofessor an der Columbia University, ein alarmierendes Bild von der Zukunft des globalen Netzes: «Das Internet wird zum zentralen Ort, an dem die Menschheit ihre Gedanken und Ideen ausdrückt und festhält. Die derzeitige Generation wird die letzte sein, die noch weiß, was Redefreiheit in der Zeit vor dem Internet bedeutete. Heute entscheidet sich, wie wir in Zukunft die Freiheit unseres Denkens gestalten wollen und wir haben einen schlechten Start hinter uns.»

Große Unternehmen wie Facebook oder Google hätten in Zukunft ungeahnte Möglichkeiten, was das so genannte «Datamining», also die Analyse gespeicherter Daten, betrifft: «Wir tippen jeden Tag unsere Träume, Wünsche und Ängste in diese Suchbox ein, aber vergessen dabei oft, dass die Suchbox jemandem gehört», sagte Moglen. Er wies auf die Gefahren hin, die das unkontrollierte Sammeln von Daten privater Großkonzerne mit sich bringen und warnte vor «einer Kriminalisierung des Lesens»: «In Frankreich hat der aktuelle Noch-Präsident zum Beispiel angekündigt, den Besuch von Webseiten mit radikalislamischen Inhalten unter Strafe stellen zu wollen.»

Das sei ein Beispiel dafür, was passieren könne, wenn das Verhalten der Bürger über das Internet kontrollierbar werde. Die einzige Lösung, um die bedrohte Meinungsfreiheit zu erhalten, sei es, konsequent auf freie, offene Technologien zu setzen und so die Kontrolle an die Öffentlichkeit zurückzugeben: «Wir brauchen drei Dinge: freie Software, freie Hardware und freie Netzzugänge.»

(Michel Thiel/L’essentiel Online)

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