«Nationaler Dialog»Opposition setzt sich nicht an runden Tisch
Die Opposition weigert sich, an Gesprächen mit der syrischen Regierung teilzunehmen. Derweil berichten Deserteure von Schießbefehlen auf Demonstranten.

Führende Oppositionsvertreter und prominente Aktivisten in Syrien sind von der Regierung initiierten Gesprächen über Reformen am Sonntag aus dem Weg gegangen. So lange das Regime von Präsident Baschar Assad schonungslos gegen Protestierende vorgehe, nähmen sie nicht an solchen Gesprächen teil, erklärten sie. Unter dem Motto «nationaler Dialog» eröffneten die Behörden am Sonntag in Damaskus zweitägige Gespräche am runden Tisch.
Den Vorsitz bei dem Treffen, das für zwei Tage angesetzt wurde, hatte Vizepräsident Faruk al-Scharaa. Der Parlamentsabgeordnete Mohammed Habasch forderte die Abschaffung eines Gesetzes, das die Todesstrafe für Mitglieder der Muslimbruderschaft vorsieht. Er kritisierte zudem, dass «Tausende ohne Prozess in den Gefängnissen sitzen».
Habasch bezeichnet sich selbst als gemäßigter Islamist, steht aber gleichzeitig der Baath-Partei von Präsident Baschar al-Assad nahe.
Syrische Deserteure berichten von Feuerbefehl auf Demonstranten
Syrische Offiziere sollen Schüsse auf unbewaffnete Demonstranten befohlen und den Angriff vor ihren Soldaten als Kampf gegen Terroristen gerechtfertigt haben. Dies schreibt Human Rights Watch (HRW) unter Berufung auf geflohene Mitglieder der Sicherheitskräfte.
Einige der Geflohenen sagten demnach aus, sie hätten Angst gehabt, selbst erschossen zu werden, sollten sie den Befehlen nicht folgen. Einer der Soldaten berichtete, er habe in der Stadt Daraa gesehen, wie ein Offizier zwei Soldaten erschossen habe.
Für den am Samstag vorgestellten Bericht sammelte HRW in Libanon, Jordanien und der Türkei Aussagen von acht syrischen Soldaten und vier Mitgliedern anderer Sicherheitskräfte, die nach eigenen Aussagen bei mehreren Aktionen unter anderem in Daraa, Homs, Aleppo und der Hauptstadt Damaskus dabei waren.
Unbewaffnete Demonstranten
Bei den Einsätzen seien Dutzende Menschen getötet oder verletzt sowie zahlreiche weitere festgenommen worden. Alle Deserteure berichteten, ihre Vorgesetzten hätten ihnen gesagt, dass sie Infiltratoren, als Salafisten bekannte ultrakonservative Muslime und Terroristen bekämpften, teilte die Menschenrechtsorganisation mit.
Die Geflohenen berichteten, sie seien überrascht gewesen, als sie unbewaffneten Demonstranten gegenüberstanden. Trotzdem sei ihnen in mehreren solchen Situationen befohlen worden, das Feuer zu eröffnen.
Das Regime von Präsident Assad setzt in seinem Kampf gegen die anhaltenden Demonstrationen auf eine Mischung aus Gewalt und Reformversprechen. Seit dem Beginn der Unruhen vor vier Monaten sind nach Angaben von Aktivisten 1600 Zivilpersonen und 350 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen.
L'essentiel Online/sda/dapd