Jihadist in Luxemburg«Pollo wird immer mein guter Freund bleiben»
LUXEMBURG – S. Duarte aus Kehlen ließ sich für den Syrien-Krieg anwerben. Ein Freund des Konvertiten erzählt «L’essentiel», wie er den jungen Mann erlebt hat.

Tiago lebt in Esch/Alzette, wie Pollo ist er in seiner Freizeit als Rapper tätig. Die Musik war es auch, durch die er jenen jungen Mann kennen lernte, über den seit Freitag das ganze Land spricht: Pollo ließ sich nämlich von der Terrororganisation Islamischer Staat rekrutieren, um im Syrien-Krieg zu kämpfen. Die beiden Hobby-Musiker lernten sich 2005 kennen, als sie gemeinsam in einer Rap-Sendung bei Radio Ara auftraten. Es war der Beginn einer langen Freundschaft. «Er war ein eher schüchterner Typ, aber sobald er locker drauf war, hörte er gar nicht mehr auf damit, Witze zu machen. Er war ein sehr lustige Kerl und überhaupt nicht aggressiv», sagt sein Freund über Pollo.
Als er am Freitag davon hörte, dass sein Freund in den Syrien-Krieg gezogen war, wollte er dies zunächst gar nicht glauben. «Ich wollte, dass es nicht wahr ist. Ich wollte es nicht wahrhaben.» Die Stunden vergingen, doch ganz hat Tiago die Nachricht immer noch nicht verdaut. «Ich verstehe nicht, was mit ihm passiert ist. Das einzige, was ich sagen kann ist, dass ich ihn vermisste und er immer mein guter Freund Pollo bleiben wird.» Seit 2013 hatten die beiden Kumpels nicht mehr miteinander gesprochen. Als Tiago 2012 ins Ausland ging, standen sie sie noch einige Zeit über die sozialen Netzwerke in Kontakt, aber seit vergangenem Jahr herrschte Funkstille zwischen den beiden. «Ich habe ihn auf Facebook nicht mehr gefunden. Ich denke, es war in dieser Zeit, als er diese Gehirnwäsche durchgemacht hat.»
«Er war neugierig»
Pollo konvertierte 2010 zum Islam, aber für Tiago gab es keine Anzeichen dafür, dass er sich von einem auf den anderen Tag verändert hatte. «Nach seiner Konvertierung war er der selbe Pollo wie immer, bis auf das, dass er jetzt Muslim war. Wir konnten weiterhin über alles reden. Er vertrat keine radikalen Ansichten aus dem Koran. Er hat zwar versucht, mich zu bekehren, aber er tat das nicht auf aggressive Art», erinnert sich der 30-Jährige. Ein anderer Freund von Pollo, der sich am Freitag L’essentiel anvertraut hatte, sprach von einem «verlorenen jungen Mann». Doch Tiago kann mit dieser Bezeichnung nichts anfangen. «Er hat sich viele Fragen über den Sinn des Lebens und die Gesellschaft gestellt. Aber nicht, weil er sich verloren vorkam, sondern weil er neugierig war.»
Die beiden Freunde des nunmehrigen Jihadisten sind sich aber in einer Frage einig: Pollo war leicht beeinflussbar. «Wenn man einmal die Schwachstelle gefunden hatte, konnte man ihn sehr leicht beeinflussen», sagt Tiago, der die Jihadisten, die in Syrien kämpfen, als «Opfer» betrachtet. Genauso wie Tiago würden sie ihre Wahl, in den Krieg zu ziehen, nicht freiwillig treffen. Tiago weiß, dass sein Freund «eine schlechte Wahl» getroffen hat, aber «er ist kein Irrer, er ist ein guter Kerl». In den vergangenen Tagen sei das Image seines Freundes beschädigt worden, «obwohl die Leute nichts über ihn und darüber, was er in Syrien macht, wissen. Wenn er überhaupt dort ist…», fasst der junge Mann zusammen.
(Fatima Rougi/L'essentiel)