First Ladys – Powerfrau gegen Super-Housewife

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First LadysPowerfrau gegen Super-Housewife

Michelle Obama und Ann Romney sind die «Geheimwaffen» im US-Wahlkampf. Sie sind populärer als ihre Ehemänner – und könnten ungleicher kaum sein.

In der Schlussphase des US-Wahlkampfs wird eine demographische Gruppe besonders intensiv umgarnt: Frauen. Während Monaten führte Präsident Barack Obama beim weiblichen Geschlecht mit einem zweistelligen Vorsprung auf Herausforderer Mitt Romney. Doch der hat nach seiner Charmeoffensive und Obamas lustloser Darbietung in der ersten Fernsehdebatte am 3. Oktober in Denver kräftig aufgeholt. In einzelnen Umfragen liegt der Republikaner bei den Frauen fast gleichauf mit dem Amtsinhaber.

Mit seinem Lapsus in der zweiten Debatte am Dienstag in Hempstead, als er von «Heftmappen voller Frauen» sprach, hat Romney den Kampf um die weiblichen Stimmen neu lanciert. Obama und Vizepräsident Joe Biden nahmen den Steilpass dankbar auf und attackierten Romney bei Wahlkampfauftritten am Mittwoch heftig. Für beide Seiten steht enorm viel auf dem Spiel: Die Frauen gelten als jene Wählergruppe, die am ehesten zu einem Sinneswandel bereit ist und den Sieger am 6. November bestimmen könnte.

Deshalb kommt auch den Gattinnen der Kandidaten eine Schlüsselrolle zu. Die 48-jährige Michelle Obama und die 63-jährige Ann Romney haben sich in den letzten Wochen mit zunehmender Intensität in den Wahlkampf eingeklinkt. Es sind zwei sehr unterschiedliche Frauen, die allerdings eine Gemeinsamkeit haben: Sie sind populärer als ihre Angetrauten, wie eine Umfrage von «Washington Post» und ABC News zeigt: Ann Romney wird von 56 Prozent der Befragten positiv beurteilt, Michelle Obama kommt sogar auf 67 Prozent Zustimmung.

Bescheidene vs. privilegierte Herkunft

Als «Verkörperung des amerikanischen Traums» hat sich die gebürtige Michelle Robinson selbst schon bezeichnet. Sie stammt aus bescheidenen Verhältnissen in Chicago und schaffte es dank ihrem brillanten Intellekt an die Elite-Universitäten Princeton und Harvard. Ann Davies dagegen hat nie materielle Sorgen gekannt. Ihr Vater war Unternehmer, ihr Ehemann ist Sohn eines erfolgreichen Managers und Politikers und brachte es selber zum vielfachen Millionär. Sie besitzt einen Bachelor in Französisch, war aber nie etwas anderes als Hausfrau und Mutter von fünf Söhnen. Auch ist sie bereits 18-fache Großmutter.

Mitt Romney war ihre Highschool-Jugenliebe. Als er Ende der 60er Jahre einen zweijährigen Missionseinsatz für die Mormonen-Kirche in Frankreich absolvierte, soll er nur vor einer Sache wirklich Angst gehabt haben: Dass Ann sich in einen anderen verliebt und ihn verlässt. Doch sie blieb standhaft. Kaum war Mitt zurück, wurde 1969 geheiratet. Ann, die aus einem nichtreligiösen Elternhaus stammt, wurde Mormonin. Seither scheinen die beiden eine Art Musterehe zu führen. Sein Vater werde unruhig und gereizt, wenn er für längere Zeit von seiner Frau getrennt sei, sagte der älteste Sohn Tagg in einem Interview.

Ehekrise bei den Obamas

Die Ehe der Obamas dagegen verlief nicht immer so harmonisch wie heute. Sie lernten sich kennen, als Michelle in einer renommierten Anwaltskanzlei arbeitete und der drei Jahre ältere Student Barack Obama ihr als Praktikant zugeteilt wurde. Am 3. Oktober, dem Tag der ersten TV-Debatte, feierte das Paar seinen 20. Hochzeitstag. Ende der 90er Jahre, als Barack seine politische Karriere vorantrieb, kriselte es in der Beziehung. Michelle besaß einen Kaderjob im Universitätsspital von Chicago und war die Hauptverdienerin der Familie. Nun fürchtete sie, zusätzlich die beiden kleinen Töchter allein aufziehen zu müssen.

Mit Barack Obamas Wahl zum US-Präsidenten 2008 stellte die Powerfrau ihre persönlichen Ambitionen endgültig zurück. Anders als Hillary Clinton mischt sie sich nicht öffentlich in die Politik ein. Ihr Hauptanliegen ist der Kampf gegen die Volksseuche Übergewicht, mit einem Gemüsegarten im Weißen Haus, als Buchautorin und als «Vorturnerin» der Nation. Ihr Hauptberuf sei Mutter, pflegt sie in Interviews zu sagen. Bei der Bevölkerung kommt sie damit gut an, wie ihre Popularitätswerte zeigen. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass Michelle Obama hinter den Kulissen einen beträchtlichen Einfluss auf ihren Mann ausübt.

Ann Romneys Schicksalsschläge

Ähnliches erzählt man über Ann Romney, obwohl sie politische Aussagen ebenfalls scheut. «Ich kandidiere nicht, also muss ich auch nicht Auskunft geben», sagte sie am Donnerstag in der ABC-Talkshow «The View». Deren Zielgruppe sind vor allem Hausfrauen – auch die Obamas waren kürzlich zu Gast. Laut Politico waren es Ann und Sohn Tagg, die mit der Forderung «Lasst Mitt einfach Mitt sein» dessen Wahlkampfteam dazu bewogen haben, die sanfte Seite des Kandidaten vermehrt zu betonen.

Dabei war sie nach eigenem Bekunden nicht begeistert, als Mitt ankündigte, er wolle erneut für die Präsidentschaft kandidieren. Ann Romney musste zwei Schicksalsschläge überstehen: 2008 wurde bei ihr eine milde Form von Brustkrebs festgestellt und erfolgreich behandelt. Bereits Ende der 90er Jahre erhielt sie eine andere niederschmetternde Diagnose: Multiple Sklerose. Heute hat sie die heimtückische und unheilbare Krankheit im Griff, auch weil sie sich als Ehefrau eines Multimillionärs teure Therapien etwa mit Reitpferden leisten kann. Was ein Grund dafür sein dürfte, dass sie nicht gerne darüber spricht.

Der Keks-Wettbewerb

Michelle Obama soll von den Ambitionen ihres Mannes ebenfalls nicht mehr sonderlich begeistert sein. Sie würde gerne nach Chicago zurückkehren, wird ab und zu gemunkelt. Wenn dem so ist, dann lässt sie es sich nicht anmerken. Sie zeigt im Gegenteil vollen Einsatz für die Wiederwahl ihres Gatten, absolviert zahlreiche Wahlkampf-Auftritte und versucht vor allem, die jungen Wähler zu mobilisieren. Sie tingelt durch das Hausfrauen-Fernsehen, gibt Publikationen wie «Good Housekeeping» Interviews und stellt der Zeitschrift «Family Circle» ihr persönliches Rezept für Kekse mit weißer und schwarzer Trinkschokolade zur Verfügung.

Gleiches tat Ann Romney, sie lieferte ein Rezept für Cookies mit M&Ms. Eine Abstimmung unter den Leserinnen ergab einen knappen Sieg für Michelle. Ein gutes Omen? Bereits vor den letzten fünf Präsidentschaftswahlen veranstaltete das Heft ein solches «Wettbacken». In vier Fällen wurde der Ehemann der Siegerin zum Präsidenten gewählt. Nur vor vier Jahren war es anders, damals gewann das Rezept von Cindy McCain gegen jenes von Michelle Obama. Ann Romney hätte nichts gegen eine Wiederholung einzuwenden.

(L'essentiel Online/Peter Blunschi)

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