Nach dem Tod im M Club – «Rache liegt mir fern, ich fühle nur Trauer»

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Nach dem Tod im M Club«Rache liegt mir fern, ich fühle nur Trauer»

LUXEMBURG - Nach dem tragischen Tod von Arnel im M Club berichten seine Schwester und zwei Freunde «L’essentiel Online», wie sie damit umgehen.

Von links nach rechts: Anis, eine Bekannte, Arnela und Emil.

Von links nach rechts: Anis, eine Bekannte, Arnela und Emil.

L'essentiel/Jonathan Vaucher

«Ich kannte ihn seit gut zehn Jahren. Wir haben alles zusammen gemacht: ausgehen, reden, Fußball spielen. Wir sind zusammen groß geworden.» Anis ist 25 Jahre jung. Er kann es immer noch nicht so richtig begreifen, dass er seinen Freund nie mehr wieder sehen wird: «Arnel war seit etwa 15 Jahren in Luxemburg. Erst vor kurzem hatte er einen Arbeitsvertrag bei einer luxemburgischen Firma unterschrieben.»

Arnel ist mit knapp 24 Jahren am frühen Sonntagmorgen des 10. Aprils vor den Toren des M Clubs verblutet, nachdem ihm mit einem abgebrochenen Glas die Halsschlagader verletzt wurde.

Plötzlich ging alles ganz schnell

Emil hatte an diesem Abend seinen Freund begleitet. Es war das erste Mal, dass beide den Club in der luxemburgischen Hauptstadt besuchten. «Uns hat niemand an diesem Abend am Eingang kontrolliert. Es war eine lange Schlange. Wir kannten die Türsteher, sie haben uns reingelassen, ohne dass wir in der Schlange warten mussten.»

Zu den tragischen Ereignissen, die zum Tod seines Freundes Arnel führten, kann Emil nur wenig berichten: «Ich kannte den Täter vom Sehen, aber es gab keinen Ärger mit Arnel.» Alles ging gegen 2 Uhr morgens plötzlich blitzschnell. «Ich kann nur vom Hörensagen erzählen, ein Mädchen sei ihm auf den Fuß getreten. Er hat mit ihr geredet, und da war es schon vorbei. Eine richtige Schlägerei gab es nicht. Sie war wohl die Freundin des Täters.»

Die Rettungskräfte wirkten hilflos

Nach dem Unglück wurden Ordnungs- und Rettungskräfte gerufen: «Die Polizei war schnell da, weil sie zufällig in der Nähe war. Ich weiß nicht ob sie jemand gerufen hat. Was ich weiß, ist, dass einer der Türsteher die Rettungskräfte gerufen hat. Das war so gegen 2.13 Uhr, glaube ich. Er hat ihnen gesagt, dass es sich um eine Stichverletzung am Hals handelt. Wie schnell sie da waren, kann ich nicht sagen. Anscheinend waren sie nach 20 Minuten da, aber es waren Rettungskräfte, die nicht ausgebildet waren. Sie konnten wenig tun - ich kenne mich da nicht so aus - aber der Arzt kam erst nach 45 Minuten.»

Arnel stirbt an der Seite seines Freundes. Emil muss hilflos mitansehen, wie er verblutet: «Ja, er hat noch gelebt. Ich habe sogar noch mit ihm geredet, als er auf dem Boden lag. Er hat mich ein bisschen beruhigt. Das hat mir sehr geholfen. Danach dachte ich, dass es gar nicht so schlimm ist, weil er zu mir gesagt hat: 'Mach dir keine Sorgen, ich habe nichts.' Ich weiß nicht, ob er gelogen hat oder ob er wusste, dass er wirklich sterben wird.»

«Er war immer für mich da»

Die Familie von Arnel erfährt von den tragischen Ereignissen noch am selben Morgen. Arnela, die jüngere Schwester, kann sich erinnern, wie ihre Mutter in ihr Zimmer hereinkam: «Meine Mutter schrie 'Das kann nicht sein, das stimmt nicht!' Ich wusste nicht, was ich sagen soll, vielleicht ist er nur verletzt? Aber meine Schwester, die 12 ist, sagte: 'Nein, nein, die Polizei darf nicht lügen!' Das ist das einzige, was ich noch weiß. Er hat mich immer beschützt und war immer für mich da.»

Eine Woche nach den Ereignissen steht die Familie noch immer unter Schock: «Unsere jüngere Schwester (12) und unser kleiner Bruder (9) begreifen das noch nicht richtig. Sie denken, er sei im Urlaub.»

«Er hatte mit Banden nichts zu tun»

Den Gerüchten, dass Arnel Opfer eines ethnischen Bandenkriegs wurde, treten Anis, Emil und Arnela entschieden entgegen: «Arnel war ein erwachsener Mann. Er hatte mit Banden nichts zu tun. Er war immer hilfreich, provozierte nicht, und ließ sich auch nicht provozieren», versichert Anis und fährt fort: «Ich habe in einem Jugendclub in Esch gearbeitet, da Kommen 'Jugos', Verdianer, Italiener und Luxemburger zusammen. Ich habe da ein Jahr gearbeitet, und gehe da seit vielen Jahren hin. Es gab nie Ärger und schon gar keinen Bandenkriege.»

Gegen die Gewalt vorgehen

Emil sieht das genauso: «Die Familie des Täters hat sich wohl zu Hause eingesperrt. Sie trauen sich nicht mehr auf die Straße. Bestimmt, weil sie Angst haben, wir würden etwas planen, aber so ist es nicht. Wir spüren keinen Hass und wollen uns nicht rächen. Mein Freund kommt nicht mehr zurück. Daran kann ich nichts mehr ändern. Rache liegt mir fern, ich fühle nur Trauer.»

Alle drei sind jedoch der Meinung, dass die Gewalt unter Jugendlichen eine neue Dimension erreicht hat: «Ich denke, dass man etwas gegen die Gewalt tun muss. Vor einigen Jahren wurde jemand tot in diesem Club aufgefunden, jetzt ist mein Bruder gestorben. Man muss etwas dagegen unternehmen, sonst kommt es nochmal und nochmal vor, und es sind immer die Jüngeren, die sterben», sagt Arnela und Emil bestätigt: «Vor zehn Jahren war es noch anders. Heute gehen fast alle Jugendlichen mit einem Messer aus, und wenn sie kein Messer haben, nehmen sie eben Flaschen.»

Chris Mathieu/L'essentiel Online

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