Großregion – Saarbrücker will IS über den Tisch ziehen

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GroßregionSaarbrücker will IS über den Tisch ziehen

SAARBRÜCKEN – «Außergewöhnlich» nennt der Richter den Prozess gegen einen vermeintlichen IS-Terroristen. Er sei vielmehr ein Betrüger. Und müsse dafür ins Gefängnis.

Das Landgericht Saarbrücken. Hier wurde das Urteil im Prozess um den mutmaßlichen Terroristen gefällt.

Das Landgericht Saarbrücken. Hier wurde das Urteil im Prozess um den mutmaßlichen Terroristen gefällt.

DPA/Oliver Dietze

Leicht hat es sich die Kammer am Landgericht Saarbrücken in diesem besonderen Verfahren nicht gemacht. Das betont der Vorsitzende Richter Bernd Wagner zum Abschluss am Freitag. Es galt, über einen 39-jährigen Syrer zu befinden. Er war beschuldigt worden, für die Terrormiliz IS sechs Sprengstoffanschläge mit Autos geplant zu haben. Der Mann selbst hatte immer wieder beteuert, dass er nur an Geld vom IS wollte. Im Internet war er dann ausgerechnet an IS-Gegner geraten, die die Sicherheitsbehörden informierten. Am Ende des Prozesses steht eine Verurteilung des ursprünglich Terrorverdächtigen zu zwei Jahren Haft - wegen Betrugs.

«Leider kann man keinem Menschen in den Kopf schauen», hatte auch Verteidiger Marius Müller in seinem Plädoyer eingeräumt. Entsprechend mussten in dem Verfahren viele Indizien angeschaut werden. Für das Gericht war das Ergebnis der Beweisaufnahme letztlich eindeutig: «Der Angeklagte war weder fähig noch willens, die angekündigten Anschläge durchzuführen», sagt Richter Wagner.

Die Kammer habe keinesfalls eine Entscheidung «In dubio pro reo» (Im Zweifel für den Angeklagten) getroffen, sondern sie habe nicht den geringsten Zweifel. «Der Angeklagte war und ist nicht Führer einer zu Anschlägen bereitstehenden Terrorgruppierung». Es habe weder Komplizen, noch Autos oder Sprengstoff gegeben, auch als «Schläfer» komme er wegen seines Auftretens und dilettantischen Vorgehens nicht in Frage. «Der gesamte Tatplan gegenüber dem vermeintlichen IS-Repräsentanten war eine Lüge.»

Ins Gefängnis muss Hassan A. dennoch. Zwar sah das Gericht den Tatbestand des «Versuchs der Beteiligung an einem Mord» nicht erfüllt, der Friseur aus Damaskus habe sich aber wegen versuchten Betruges schuldig gemacht. Den Kontakt zum IS hatte der Mann per Internetchat herzustellen versucht. Zu einer Geldübergabe kam es aber nie. «Er ist kein Terrorist, sondern wie er selbst verdeutlicht hat, ein Betrüger», bilanziert Wagner. «Und für diese Tat wurde er auch verurteilt.»

Gleichzeit gab Wagner zu bedenken: «Ist es überhaupt strafbar, den Islamischen Staat zu schädigen?» Anders formuliert: «Kann das Vermögen einer Terrororganisation geschädigt werden oder ist der Rechtsgüterschutz in solch einem Fall normativ eingeschränkt?» Der Richter berief sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach eine Aufrechnung von Schuld gegen Schuld nicht stattfinde. Dem sei zuzustimmen. Es könne nicht im Belieben eines Privatmannes liegen, zu entscheiden, wann ein Vermögensschaden rechtlich zu billigen sei oder nicht. Bei Prozessbeobachtern blieben Zweifel: «Eigentlich hätte jemand, der den IS betrügen will, eher einen Orden als eine Gefängnisstrafe verdient», kommentierte einer von ihnen.

Verteidiger Müller sagt nach dem Urteil: «Zunächst einmal ist es ein Erfolg, wenn man bedenkt, dass nach der Anklage eine Mindeststrafe von drei Jahren in Betracht kam und dass die Staatsanwaltschaft zehn Jahre beantragt hat». Seiner Meinung nach hätte aber ein Freispruch erfolgen müssen. Er wolle Revision einlegen und das Urteil vom BGH überprüfen lassen. Auch Oberstaatsanwalt Guntram Liebschner wird vermutlich in Revision gehen. «Das liegt mehr als näher», sagt er.

Unabhängig von der nächsten Instanz ist offen, wie es mit dem 39-jährigen Syrer weitergeht. Das Gericht geht davon aus, dass er unter Entzug des Flüchtlingsstatus' in Deutschland nicht mehr in Freiheit kommt, sondern abgeschoben wird. Der Verteidiger betont indes, darüber habe allein die Ausländerbehörde in einem separaten Verfahren zu entscheiden. «Solange das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, schätze ich die Wahrscheinlichkeit einer Abschiebung gegen den Willen meines Mandanten als eher gering ein.»

(dpa/l'Essentiel)

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