Sechs Tote – Sabotage schuld an Zugunglück bei Paris?

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Sechs ToteSabotage schuld an Zugunglück bei Paris?

Das schwere Zugunglück in Frankreich gibt Rätsel auf. Aus ungeklärtem Grund war ein zehn Kilogramm schweres Schienen-Verbindungsteil nicht an seinem Platz.

War es ein einfacher Materialdefekt? Ein Wartungsfehler? Oder vielleicht sogar Sabotage? Nach dem schweren Zugunglück in Frankreich haben wilde Spekulationen über die Schuldfrage begonnen. Bahnverantwortliche konnten zwar bereits am Samstag erste Ermittlungsergebnisse präsentieren. Sie ließen aber viele Fragen offen. «Wir sollten uns hüten, einen böswilligen Akt auszuschließen», sagte der Bahntechnik-Experte Michel Chevalet im französischen Fernsehen. Er habe so etwas noch nie gesehen.

Mit dem «so etwas» spielte Chevalet auf die ersten offiziellen Erklärungen der Bahn an. Demnach entgleiste der mit 385 Menschen besetzte Intercity-Zug, weil an einer Weiche vor einem Bahnhof südlich von Paris ein Verbindungsteil aus Stahl fehlte. Dieses lag ein Stück weiter direkt am Kreuzungspunkt zweier Schienen und verursachte so offensichtlich die Katastrophe mit sechs Toten und Dutzenden Verletzten.

Eher ein Materialfehler?

«Dieses Ding war mit vier Schrauben befestigt. Es erscheint mir merkwürdig, dass sie sich alle zur gleichen Zeit gelöst haben», gab sich auch der Regionalratsvorsitzende Jean-Paul Huchon erstaunt. Frankreichs Präsident François Hollande warnte am Sonntagmittag hingegen vor Sabotage-Spekulationen. «Wir dürfen nichts ausschließen, aber das ist nicht meine favorisierte Annahme», sagte er am Sonntag in einem TV-Interview zum Nationalfeiertag. Vermutlich handele es sich eher um einen Materialfehler.

Ähnlich äußerten sich Vertreter von Bahngewerkschaften. In das französische Schienennetz werde seit Jahren zu wenig investiert, kritisierten sie in Anspielung auf einen möglichen Materialdefekt. Auch die von Paris ins 400 Kilometer entfernte Limoges führende Unglücksstrecke gehöre zu den vernachlässigten.

Kleiner Bahnhof gleich Trümmerfeld

Der Unfall ereignete sich am Freitag nur 40 Kilometer entfernt von der Hauptstadt. Der Pariser Bahnhof Austerlitz konnte bis auf weiteres nicht mehr angefahren werden. Ausgerechnet zu Beginn der Sommerreisezeit mussten Tausende Menschen, die in Richtung Orléans, Limoges oder Toulouse wollten, auf andere Transportmittel ausweichen oder daheimbleiben.

Uneingeschränkte Rückendeckung gab es nur für das Personal des Unglückszuges. «Der Lokführer hat zum Glück absolut einzigartiges Reaktionsvermögen gezeigt, indem er sofort Alarm ausgelöst hat», erklärte Verkehrsminister Frédéric Cuvillier. Dies habe verhindert, dass ein entgegenkommender Zug in die entgleisten Waggons gerast sei. Was in diesem Fall passiert wäre, wollte er sich nicht ausmalen. Schon die Erlebnisse an der aktuellen Unfallstelle bezeichnete er als «eine der härtesten Belastungsproben» seines Lebens. «Es war fürchterlich.»

Der kleine Bahnhof von Brétigny-sur-Orge glich am Wochenende noch immer einem riesigen Trümmerfeld. Am Samstagabend konnte aber immerhin der am schwersten beschädigte Waggon wieder aufgerichtet werden. Danach gab es die erste wirklich gute Nachricht seit mehr als 24 Stunden. «Wir sind uns jetzt sicher, dass es keine weiteren Opfer gibt», sagte der zuständige Präfekt Michel Fuzeau. Zuvor war befürchtet worden, dass weitere Leichen unter den Trümmern liegen könnten.

(L'essentiel Online/dpa)

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