Präsident auf RechtskursSarkozys heikler Flirt mit Le Pen
Sarkozy wirbt intensiv um Wähler des Front National. Dafür erntet er Kritik aus dem eigenen Lager: Mitstreiter des Präsidenten fürchten, er werde die Mitte verlieren.

Der frühere Premierminister Jean-Pierre Raffarin (l.) mit Nicolas Sarkozy auf Wahlkampftour. Er fordert den Präsidenten auf, «die Mitte nicht zu vergessen».
Als «Frankreich der Unsichtbaren» hat Marine Le Pen, die Chefin des Front National (FN), im Wahlkampf ihre Wählerschaft bezeichnet – die kleinen Leute, die Unterprivilegierten, die Verlierer der Globalisierung. Seit dem überraschenden Erfolg von Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl sind diese «Unsichtbaren» plötzlich heiß begehrt. Sowohl der Sozialist François Hollande, der Sieger des ersten Wahlgangs, als auch Amtsinhaber Nicolas Sarkozy bemühen sich um ihre Gunst.
Während sich Hollande dabei um Distanz zum radikalen Gedankengut der rechtsextremen Partei bemüht, kennt Sarkozy weniger Hemmungen. Die Franzosen hätten genug von einem Europa, das sie nicht schützen könne, betonte er bereits am Montag bei einer Kundgebung in Saint-Cyr bei Tours. Sie wollten nicht mehr eine Globalisierung ohne Regeln, sie wollten nicht mehr unter dem Joch der Finanzwelt stehen. «Wir alle müssen dem Rechnung tragen. Die Franzosen wollen keine Grenzen, die alles und alle durchlassen», sagte Sarkozy.
Die Mitte nicht vergessen
Die Rechnung des Präsidenten ist einfach: Marine Le Pen kam im ersten Wahlgang auf 17,9 Prozent, der Zentrist François Bayrou nur auf 9,1 Prozent. Folglich braucht er die Stimmen von Rechtsaußen, um sich eine zweite Amtszeit zu sichern. Beim moderaten Flügel der Regierungspartei UMP ist diese Strategie umstritten: «Die extreme Rechte ist nur stark, wenn die Rechte schwach ist und nicht ihr eigenes Gedankengut und ihre eigenen Visionen vertritt», mahnte der ehemalige Sarkozy-Vertraute Patrick Devedjian laut «Le Monde».
Die frühere Sportministerin Chantal Jouanno warnte ebenfalls davor, die eigenen Werte der Konservativen bei der Jagd auf die FN-Wähler zu verlieren. Der frühere Premierminister Jean-Pierre Raffarin, der sich im Wahlkampf für Sarkozy engagiert, forderte den Staatschef auf, «die Mitte nicht zu vergessen». Dies wäre ein schwerer Fehler, denn «ohne François Bayrou gewinnen wir nicht». In die gleiche Kerbe schlug der ehemalige Umweltminister Jean-Louis Borloo: Der Präsident müsse «eine zentristische Linie» einschlagen, forderte er.
Le Pen hofft auf Sarko-Niederlage
In einem Interview mit dem Radiosender France Info ging Nicolas Sarkozy teilweise auf diese Bedenken ein: Es werde keine Absprachen mit dem Front National geben, die Rechtsextremen würden auch keinen Minister in einer künftigen Regierung stellen. Gleichzeitig weigerte er sich, die Wähler von Marine Le Pen zu «verteufeln». Ob diese ihn überhaupt wählen wollen, ist dabei völlig unklar. Befragungen am Wahlabend zeigten, dass viele für Le Pen stimmten, weil sie genug von Sarkozy haben.
Die Parteichefin selbst will offenbar keine Wahlempfehlung abgeben. Beobachter sind überzeugt, dass sie auf eine Niederlage von Nicolas Sarkozy in der Stichwahl und der UMP bei der Parlamentswahl im Juni setzt. Das noch von Jacques Chirac gezimmerte Bündnis aus mehreren Rechtsparteien werde danach auseinanderbrechen, so das Kalkül von Marine Le Pen. Aus den Bruchstücken am rechten Rand und dem Front National könne sie dann eine starke rechtsnationale Partei unter neuem Namen und unter ihrer Führung bilden.
Kompatibel mit der Republik
Ob diese Rechnung aufgeht, ist zweifelhaft. Dafür müsste der Front National bei der Parlamentswahl eine namhafte Zahl an Sitzen gewinnen, und dies hat das französische Mehrheitswahlrecht bislang verhindert. Stets haben sich die anderen Parteien gegen den FN verbündet. Nicolas Sarkozy allerdings bemüht sich nach Kräften, die Partei weiter von ihrem Schmuddelimage zu befreien und salonfähig zu machen. Marine Le Pen sei «kompatibel mit der Republik», erklärte er am Dienstag am Rande eines Auftritt in Longjumeau bei Paris.
(L'essentiel Online/Peter Blunschi)