Schiefergas-DebatteSchwarzes Gold unter unseren Füßen?
LUXEMBURG – Eine Konferenz über Schiefergas, die Montag an der Uni stattfindet, sorgt für viel Polemik. Was ist wirklich dran an der heimischen Energie-Ressource?

Auslöser der hitzigen Debatte ist die Konferenz «Shale Gas – A solution to EU’s energy problems?», die am Montagabend an der Uni stattfindet und sich mit dem Thema Schiefergas auseinandersetzt, also der Gewinnung von Erdgas aus so genannten Ölschiefer.
Als Referenten treten dort neben dem luxemburgischen Europaabgeordneten Robert Goebbels (LSAP) unter anderem Tomasz Maj, Vizepräsident des Gaskonzerns Talisman Energy Polska auf, als Spezialist aus der Gas- und Ölbranche. Die Konferenz wird von der Botschaft Polens organisiert, jenem EU-Staat also mit den größten Ölschiefer-Vorkommen.
Interessante Energiequelle für mehr Wettbewerbsfähigkeit?
Grund genug für Goebbels' Kollegen im Europaparlament, Claude Turmes (Déi Gréng), einen offenen Brief an den Rektor der Uni Luxemburg, Rolf Tarrach, zu richten. Er wirft diesem darin vor, eine wissenschaftlich zweifelhafte Werbeveranstaltung der Erdgas-Lobby an seiner Universität zuzulassen und warnt zugleich vor den enormen Umweltgefahren, die von der Schiefergas-Gewinnung ausgehen. Turmes bemängelt, dass als Redner zur Konferenz keine Wissenschaftler mit glaubwürdigem Background in Energie- oder Umweltfragen, die das sehr umstrittene Thema der Schiefergas-Ausbeutung hätten kritisch beleuchten können, eingeladen worden seien.
Robert Goebbels verteidigte die Veranstaltung und warf Turmes vor, er wolle «Denkverbote» erteilen. Keine Technik dürfe man von vorneherein verurteilen und die Gewinnung von Gas aus luxemburgischen Ölschiefer könne sich in der Zukunft durchaus als interessante Energiequelle erweisen, welche die Wettbewerbsfähigkeit des Landes deutlich verbessern könne: «Wenn man ökologische Regeln festlegt ist die Nutzung von Schiefergas in Luxemburg machbar. Luxemburg importiert den Großteil seiner Energie und Erdgas ist hierzulande für die Industrie teurer als in jedem anderen europäischen Land».
Ölschiefer sorgte 2011 für stinkenden Sickerbrand
Dass Robert Goebbels Vision von der Energie-Autonomie durch Schiefergas nicht aus der Luft gegriffen ist, ist eine Tatsache. Seit dem 19. Jahrhundert sind Vorkommen von so genanntem Posidonien-Schiefer im Süden Luxemburgs bekannt. Eigentlich handelt es sich nicht um Schiefer sondern um eine Art Lehm, die variable Mengen an organischen Stoffen enthält und eine Vorstufe des Erdöls darstellt. Durch Erhitzen auf mehrere Hundert Grad kann man Gas oder Öl aus diesem Gestein gewinnen. Bereits 1853 wurde der Ölschiefer in Differdingen als Brennstoff erprobt.
Im Sommer 2011 wurde bei Aushubarbeiten zum Bau des Tunnels der «Liaison Micheville» größere Mengen an Ölschiefer zu Tage gefördert, die sich aus ungeklärten Gründen entzündeten. Ein Sickerbrand, der die Anwohner wochenlang mit dem Geruch verbrannten Öls belästigte.
Für 350 Jahre ausgesorgt
Ein Artikel aus der «Revue technique luxembourgeoise» aus dem Jahr 1984 befasste sich im Detail mit dem Thema und liefert eine Einschätzung über Größe der Vorkommen und Ausbeutungsmöglichkeiten. Demnach wurden zwischen 1975 und 1981 im Auftrag von Arbed eine Vielzahl von Probebohrungen zwischen Düdelingen und Rodingen durchgeführt. Der Stahlkonzern war 1981 sogar ein Joint Venture mit der US-Gesellschaft Southern Pacific Petroleum Company eingegangen und hatte die «Société pour le développement de l’Huile de Schiste» gegründet.
Die Nachforschungen ergaben damals, dass im gesamten Minette-Gebiet Ölschiefer zu finden ist. Dieser enthält einen maximalen Gehalt von 5 Prozent an organischem Material, aus dem sich durchschnittlich 37 Liter Öl pro Tonne gewinnen ließe. Die Bergbau-Ingenieure gingen davon aus, dass die luxemburgischen Lagerstätten je nach Herangehensweise bei der Ausbeutung eine maximale Ölreserve von bis zu 570 Millionen Tonnen enthalten. Eine enorme Menge, die auf dem Stand von 1984 ausgereicht hätte, um den gesamten Erdölbedarf des Großherzogtums 350 Jahre lang zu decken.
Teure Förderung
Dass es nie zur Nutzung dieser Vorkommen kam, lag einerseits an dem niedrigen Ölpreis, der den teuren Abbau des Ölschiefers im Tagebau und die energieintensive Transformation nicht rentabel erscheinen ließ. Andererseits wiesen die Autoren des Artikels bereits damals auf schwerwiegende ökologische Probleme wie die Luft- und Wasserverschmutzung hin. Eine umweltverträgliche Ausbeutung der Ölschiefer-Vorkommen hätte deren Preis also noch weiter in die Höhe getrieben.
Robert Goebbels scheint diese Hürden in Anbetracht der steigenden Energiepreise für überwindbar zu halten zumal er nicht von einer Ölgewinnung durch den Tagebau, sondern einer unterirdischen Gasgewinnung durch so genanntes «Fracking» (siehe Kasten) ausgeht. Eine Studie von 1993, «The organic petrology and geochemistry of the Troacien oil shale of Luxembourg», schätzt laut Goebbels die nationalen Vorkommen auf 100 Millionen Kubikmeter, genug um den nationalen Energiebedarf für 20 bis 30 Jahre zu stillen. «Die ökologischen Risiken dürfen nicht außer Acht gelassen werden», so Goebbels gegenüber «L’essentiel Online», «aber es gibt eine Studie der internationalen Energieagentur IEA, welche die Regeln für eine verantwortungsbewusste Nutzung solcher Vorkommen beschreibt».
«Ein goldenes Gaszeitalter»
Die Studie mit dem Titel «Goldene Regeln für ein Goldenes Gaszeitalter» betrachtet die Nutzung alternativer Gasvorkommen jedoch vor allem unter ökonomischem Gesichtspunkten. Ein kurzer Exkurs gibt Empfehlungen zur ressourcenschonenden Gas-Bohrung, liefert allerdings gleich die Mehrkosten mit, die eine halbe Million Dollar pro Bohrloch betragen würden.
Wie rentabel die Nutzung der alterantiven Gasreserven in Luxemburgs Boden wäre, hängt also nicht nur vom aktuellen Marktpreis für Erdgas ab, sondern vor auch allem davon, wieviel die Maßnahmen zum Schutz der Umwelt kosten würden.
(Michel Thiel/L'essentiel Online)
Fracking und die Folgen
Hydraulic Fracturing, auch Fracking genannt, ist eine Öl- und Gasfördermethode, bei der in technische Tiefbohrungen eine Flüssigkeit eingepresst wird, um im Speichergestein Risse zu erzeugen, aufzuweiten und zu stabilisieren. Dadurch wird die Gas- und Flüssigkeitsdurchlässigkeit der Gesteinschicht erhöht, so dass Erdgas und Erdöl wirtschaftlich gewonnen werden können.
Fracking ist äußerst umstritten, da die Umweltauswirkungen als verheerend gelten. Einerseits werden zum Teil hochgiftige Chemikalien ins Bohrloch gepresst, andererseits wird das Abwasser zusätzlich durch Kohlenwasserstoffe aus der Ölschiefer-Schicht belastet. Die Spätfolgen für die Umwelt sind heute noch schwer einzuschätzen.
Die Technik wird derzeit bereits in vielen Ländern genutzt, darunter den USA, die eine Vorreiterrolle spielen, nachdem die Ölindustrie unter Präsident George W. Bush sehr liberale Nutzungsrechte erhielt. Die US-Umweltbehörde EPA arbeitet derzeit an einer Studie über die Umweltrisiken, die jedoch erst 2014 abgeschlossen sein soll.
Frankreich, das in Europa neben Polen über die umfangreichsten Reserven an Ölschiefer-Vorkommen verfügt, hat unter Präsident Hollande ein Moratorium verfügt und Ausbeutungslizenzen, die unter seinem Vorgänger erteilt worden waren, aufgehoben.