Seltene Erkrankung – «Sie entscheidet selbst, ob sie leben will»

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Seltene Erkrankung«Sie entscheidet selbst, ob sie leben will»

LUXEMBURG - Die lebensgefährlich erkrankte Émilie Lahr wird derzeit in den USA behandelt. Im Interview mit «L’essentiel Online» berichtet ihre Mutter über den Kampf ums Überleben.

L'essentiel Online: Zwei Notoperationen in den USA im John-Hopkins-Krankenhaus in Baltimore binnen kürzester Zeit, wie verkraften Sie den Stress?

Jacqueline Lahr: Der Stress wird mit der Einstellung verarbeitet, dass Emilie ihren Kampf nach ihrem eigenen Willen führt und überleben will. Emilie wurde die Tragweite ihrer Entscheidung erklärt. Sie erklärte Professor George Jallo, dass sie nur überleben wolle, wenn ihr Gehirn weitgehend seine Fähigkeiten behalte. Vor drei Jahren befand sie sich im Koma, danach war sie apathisch und ein Pflegefall. Ich habe sie dann wieder aufgebaut und in einen lebenswerten Zustand gebracht. Damals gab es nur eine Alternative: den Kampf gegen den Tod nicht aufgeben. Ich bin die führende Kraft bei Emilie's Pflege.

Die Geschwister von Emilie sind in Luxemburg geblieben. Wie kommt Ihre Familie mit der Belastung zurecht?

Die Familie besteht aus vier Kindern. Unser ältester Sohn ist Émile (27 Jahre), dann kommen Mike (23 Jahre) und Jennifer (17 Jahre). Alle kommen mit der außergewöhnlichen Situation zurecht. Aufkommende schlechte Momente werden unter den Geschwistern aufgearbeitet und in der Familie gelöst. Die Kinder durchleben seit sieben Jahren eine schwere Kindheit, was sie enorm verbunden hat, da sie öfter auf ihre Eltern haben verzichten müssen. Dieser Umstand hat alle schneller reifen lassen.

Émilie muss ständig einen Mundschutz tragen. Kann sie sich wie ein normales Kind fühlen? Hat sie ein Hobby, was macht sie besonders gerne?

Emilie hat sich mittlerweile an ihren Mundschutz gewöhnt und weiß, dass sie schwer krank ist. In ihrem Bewusstsein fühlt sie sich gut und holt aus dem Leben, was sie erreichen kann. Wegen ihrer gesundheitlichen Lage hat sie ihr Leben auf elektronische Rechner, naheliegende Familie und einige gute Freunde ausgerichtet. Ihre Hauptfreizeit verbringt sie mit Malen. Sie hat sich zu einem regelrechten Künstler entwickelt.

Wie kann man sich ihren Familienalltag vorstellen?

Émilie wird rund um die Uhr betreut. Alle fünf Stunden bekommt sie Medikamente in Pillenform. Des Weiteren werden sechs Infusionen täglich verabreicht, so dass Emilie allenfalls drei Stunden an einem Stück schlafen kann. Gleiches gilt für mich als Mutter. Emilie hat einen total ausgefüllten Tagesplan, hilft beim Kochen und verarbeitet schulisch ein von uns Eltern aufgestelltes Programm, welches auf ihr Niveau angepasst wurde. Außerdem macht sie zuhause Heilgymnastik eine Stunde lang an den Tagen, wenn sie nicht im Krankenhaus ist. In der kurzen Freizeit werden manchmal auch Spaziergänge unternommen und Einkäufe erledigt. Bei den Infusionen malt sie und verrichtet Handarbeiten oder musiziert auf ihrem Klavier. Sie genießt besonders Abende, wenn die ganze Familie zusammen ist.

Ganz Luxemburg sammelt Spendengelder, um sie zu unterstützen. Kommt genug zusammen?

Die monatlichen Kosten decken wir, indem wir Aktionen und Verkaufsstände bei Benefizveranstaltungen organisieren. Hinzu kommen erhebliche Kosten, wenn Émilie im Ausland behandelt wird. Weil nur sehr wenige Ärzte mit dieser Krankheit umgehen können, mussten wir Emilie in den USA behandeln lassen. Die Kosten trägt keine Krankenkasse. Derweilen sind zirka 277 000 Euro für die Operationen veranschlagt. Zurzeit ist eine solche Summe nicht vorhanden. Seit dem 4. Januar sind zirka 23 000 Euro an Spenden eingegangen. Fakt ist, dass Emilie vielleicht mit einer besseren Stabilität im neurologischen Sinne nach Hause kommt. Dennoch werden klinische Folgeschäden bestehen bleiben. Um der Infektion Herr zu werden ist eine Knochenmarktransplantation vorgesehen, die nur in den USA durchgeführt werden kann und schätzungsweise 400 000 Dollar kostet.

Wann ist mit einer Rückkehr nach Luxemburg zu rechnen?

Émilie hat eine schwere Infektion am Herzen (nebst Thrombose) und wird in zwei Monaten nach einer Antibiotika-Behandlung wieder operiert. Die Ärzte versuchen ein geeignetes Zentrum in Deutschland zu finden, welches einen Kardiologen zwecks Überwachung der Patientin zur Verfügung stellt. Sollte dies der Fall sein, dann wird Émilie schon in vierzehn Tagen nach Europa überführt.

Chris Mathieu/L'essentiel Online

«Candida dubliniensis»

Die heute 13-jährige Émilie Lahr erkrankte 2005 nach einem Schwimmbadbesuch. Sie leidet seitdem an einer weltweit einzigartigen Infektionskrankheit, die durch den Pilz «candida dubliniensis» ausgelöst wurde und ihre Blutgefäße im Körper und im Gehirn befallen hat.

Unterstützung für Familie Lahr

Wer Émilie und ihrer Familie unter die Arme greifen will, kann sich über die Internetseite «Save Émilie Lahr» über die verschiedene Möglichkeiten informieren. Dort finden sich auch die Angaben für ein Spendenkonto.

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