Wahlkampf lustig – «So wenig Zeit, so viel umzuverteilen»

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Wahlkampf lustig«So wenig Zeit, so viel umzuverteilen»

An einem traditionellen Wohltätigkeitsdinner deckten sich Barack Obama und Mitt Romney mit Witzen ein – und bewiesen ein gesundes Maß an Selbstironie.

Das jährliche Alfred E. Smith Memorial Dinner der Erzdiözese New York im Waldorf Astoria gehört in Wahljahren zum Pflichtprogramm der Präsidenten und ihrer Herausforderer. Und traditionellerweise präsentieren sich Amtsinhaber und Kandidat am hochkarätigen Charity-Event dabei von der selbstironischen Seite.

So auch gestern Abend: Mitt Romney eröffnete seine Rede vor den in Abendroben und Smoking erschienenen Gästen laut CNN mit der Bemerkung, beim Wahlkampf müsse man sich ja häufig mehrmals am Tag umziehen: «Blue Jeans am Morgen, zum Beispiel. Anzug für einen Fundraiser am Mittag. Blazer fürs Dinner. Aber es ist wirklich schön, zur Abwechslung mal relaxen zu können in dem, was Ann und ich zu Hause so tragen.»

Die schwache erste Debatte

Er und der Präsident würden es genießen, beim Essen nett zu plaudern. Das Verdienst dafür komme dem Kardinal von New York zu, der als Gastgeber des 2500$-pro-Kopf-Dinners mit ihnen am Tisch saß: «Es brauchte New Yorks höchste spirituelle Autorität, um uns zu unserem besten Verhalten zurückzuführen.» Und: «Ich sehe schon die Schlagzeilen über dieses Dinner: ‹Katholiken umarmen Obama, Romney diniert mit reichen Leuten›.»

Obama seinerseits platzierte einige Sprüche zu seinem missratenen Auftritt an der ersten Debatte (Video am Schluss des Textes): «Wie Sie vielleicht gesehen habe, hatte ich sehr viel mehr Energie in unserer zweiten Debatte. Ich fühlte mich auch wirklich ausgeruht nach dem langen Nickerchen während der ersten Debatte.» Er habe außerdem gelernt, dass es «viel schlimmere Dinge gibt, als am Abend des Hochzeitstages zu realisieren, dass man vergessen hat, ein Geschenk zu besorgen». Der Tag der ersten Debatte war auch der 20. Hochzeitstag der Obamas.

Die Popularitätsklippe umschifft

Natürlich kamen auch die Gegner nicht ungeschoren davon. Obama sagte, er sei am Nachmittag in einigen Läden gewesen, um einzukaufen. Mitt Romney habe derweil einige Läden gekauft. Und zur Europa-Reise Romneys, die nicht sehr erfolgreich verlaufen war, sagte Obama: «Als ich 2008 nach Europa reiste, wurde ich als ‹Star› angegriffen, weil ich so populär war bei unseren Verbündeten. Ich war wirklich beeindruckt, wie gut Mitt Romney diesem Problem ausgewichen ist.»

Mitt Romney hingegen sympathisierte mit dem Problem, dass Obama an diesem Abend habe: «Wenn Präsident Obama in den Saal schaut, mit allen Leuten in ihren feinsten Kleidern, muss man sich fragen, was er wohl denkt. So wenig Zeit. So viel umzuverteilen.»

(L'essentiel Online/Bea Emmenegger)

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