ParlamentswahlenSonntagsfrage mit Haken?
LUXEMBURG - Ein Online-Fragebogen des Meinungsforschers TNS-Ilres sorgt für Aufregung: Die Form des Fragebogens sei alles Andere als neutral, vermuten Kritiker.

Der Online-Fragebogen zur TNS-Ilres-Sonntagsfrage: Wer sich auch nur oberflächlich mit demoskopischen Methoden beschäftigt hat, erkennt sofort das Problem.
Die vom privaten Meinungsforschungsinstitut TNS-Ilres im Auftrag des «Tageblatt» durchgeführte Sonntagsfrage spielt im luxemburgischen Wahlkampf eine ähnliche Rolle, wie entsprechende Umfragen im Ausland: Sei soll anhand von statistischen Methoden die Wahlabsichten der Bürger abbilden, indem diese die Frage beantworten: «Wenn am kommenden Sonntag Kammerwahlen wären und Sie wahlberechtigt wären, welcher Partei würden Sie die meisten Stimmen geben?» Eine streng wissenschaftliche, quantifizierte und unanfechtbare Momentaufnahme der politischen Stimmung der Luxemburger Bevölkerung, so die Darstellung. Oder etwa nicht?
Zweifel haben derzeit unter Anderem die Vertreter der kleineren Parteien, die am 20. Oktober zur Wahl antreten. Der Grund ist der Screenshot eines Online-Fragebogens der TNS-Ilres, der seit kurzem in den sozialen Netzwerken kursiert. Auf diesem sind nicht nur die politischen Parteien in einer gewissen Reihenfolge, die definitiv nicht dem Alphabet entspricht, aufgelistet, sondern es fehlen zudem zwei Parteien. Die «Piratepartei» sowie die «Partei fir Integral Demokratie» (PiD) sucht man vergebens. Dafür gibt es ein Blanko-Feld zum Ausfüllen, das mit «Andere Partei» gekennzeichnet ist.
Die Frage ist, wie man sie stellt...
Wer sich auch nur oberflächlich mit demoskopischen Methoden beschäftigt hat, erkennt sofort das Problem: Die Form des Fragebogens ist alles andere als neutral und beeinflusst die Antwort, indem sie gewisse Sachverhalte suggeriert oder verschleiert. Fachleute sprechen von einer so genannten «Antwortverzerrung» (response bias), welche die Ergebnisse einer Befragung verfälschen kann.
Nicht nur die Reihenfolge der Parteien - die großen Volksparteien werden als erste und mit ihrer Parteifarbe in Klammern genannt, dann folgen die Oppositionsparteien ohne Zusatz - ist bedenklich. Das Auslassen der beiden Newcomer-Parteien, deren Name dem einen oder anderen Befragten entfallen sein könnte, muss schon als grob fahrlässig, wenn nicht beabsichtigt erscheinen, wie manche Kommentatoren im Netz mutmaßen:
Post by Sven Clement.
In einer ersten Reaktion gegenüber Radio «Eldoradio» sah TNS-Ilres-Chefmeinungsforscher Charles Margue am Donnerstagnachmittag dann auch kein Problem in Bezug auf den Fragebogen. Hinter der Form stecke keine Absicht, sondern man versuche, das gleiche Formular von Wahl zu Wahl zu benutzen. Da die kleineren politischen Gruppierungen von Legislatur zu Legislatur variierten, würden sie nicht explizit aufgelistet. Und bei der Unterteilung in «große» und «kleine» Parteien handele es sich um ein «Layout-Problem», das man beheben wolle. Die Piraten und die PiD seien nicht benachteiligt, da der Umfrageteilnehmer sie selbst eintragen könne, so Margue weiter. Die Tatsache, dass die KPL trotz vergleichbar niedriger Wahlergebnisse wie jene anderer kleiner Parteien in der Auflistung aufgeführt werde, ohne im Parlament vertreten zu sein, habe «historische Gründe», so Margue.
Backoffice-Tool zur Meinungsumfrage genutzt
Gegenüber «L’essentiel online» gab Margue wenig später dann aber zu, dass das Formular «nicht zufriedenstellend» sei: «Es handelt sich um einen Skript, den wir ursprünglich für unsere Telefon-Umfragen erstellt hatten». Telefonumfragen, bei denen die TNS-Mitarbeiter eben nur die Sonntagsfrage stellen, ohne möglichst Parteien mündlich aufzuzählen, um Bürger in ihrer Wahl nicht zu beeinflussen.
Das Fazit: Margue gibt zu, dass die Online-Methodik bei der Sonntagsfrage suboptimal ist, hält dies aber nicht für tragisch, da die Ergebnisse «mit den Werten aus anderen Quellen gut korrelieren». Im Klartext: Die Form des Online-Fragebogens habe keinen Einfluss, da die Ergebnisse die selben seien wie jene aus der Telefon-Umfrage oder aus anderen Umfragen wie dem «Politbarometer» im Auftrag von «RTL Lëtzebuerg» und dem «Luxemburger Wort».
Eine Darstellung, die den Vorsitzenden der Piratepartei Sven Clement nicht zufrieden stellt: «Das war bereits die zweite TNS-Ilres-Umfrage, bei der nach unserem Wissen die Piraten ignoriert wurden. Das ist kein Zufall mehr, sondern ein System. Hier wird bewusst oder unterbewusst das Ergebnis beeinflusst, weil die Befragten eher eine der angebotenen Optionen wählen als ihre Eigene nennen. Auf dem Wahlzettel werden aber auch die Piraten draufstehen. Eigentlich müsste ein Umfrage-Institut so kurz vor den Wahlen sämtliche Parteien nennen, die auf dem Wahlzettel stehen».
(Michel Thiel / L'essentiel Online)