Kleber, Graffiti, DemoSpanier wehren sich gegen Touristen-Ansturm
Steigende Mietpreise, tiefe Löhne, Umweltschäden: In Spanien wächst der Unmut über den Maßentourismus. Viele Einheimische lassen sich das nicht mehr gefallen.

Die Landesregierung auf den Balearen hat dem Organisator einer Anti-Touristen-Demo in Palma de Mallorca eine Busse von 1200 Euro auferlegt, wie «Mallorca Diario» berichtet. Mitglieder der katalanischen linksradikalen Gruppierung Arran bewarfen am 22. Juli bei einer spontanen Demo Restaurantgäste mit Konfetti und erschreckten sie mit Leuchtfackeln. Dazu hielten sie Spruchbänder hoch, auf denen stand: «Tourism kills Mallorca» («Der Tourismus tötet Mallorca»).
Der Mann, der als A.M.M. identifiziert wurde, wird beschuldigt, eine unangemeldete Demo organisiert sowie ohne Genehmigung Feuerwerkskörper gezündet zu haben. A.M.M. hat die Verantwortung für den Protest auf sich genommen.
Es herrscht «Tourismusphobie»
Das Land erlebt in diesem Jahr einen wahren Touristenansturm: Allein in der ersten Jahreshälfte besuchten laut dem spanischen Statistikinstitut INE 36,3 Millionen Menschen das Land — das sind 11,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch nicht alle Spanier profitieren davon. In spanischen Medien ist eine hitzige Debatte um eine sogenannte «Tourismusphobie» entbrannt.
Der Maßentourismus führe in Spanien zu prekären Arbeitsbedingungen, überfüllten Straßen, höheren Mietpreisen für Einheimische sowie Umweltschäden, beschweren sich diverse Protestgruppen seit Wochen. Besonders auf Mallorca und in Barcelona gehen sie nun gegen den Maßentourismus auf die Barrikaden:
• Sticker-Aktion auf Mietwagen
Unter anderem machten Mitglieder von Arran, der Jugendorganisation Endavant und der Umweltgruppe Gob ihren Unmut mit einer Sticker-Aktion sichtbar: Laut der«Mallorca Zeitung» klebten Demonstranten Tausende Aufkleber mit dem Text «Aquest cotxe sobra» («Dieses Auto ist zu viel») auf Mietautos. Die Flotte der Mietwagen verstopfe die Straßen und belaste die Umwelt.
• Keine Ferienwohnung ohne Zulassung
Auch die hohen Mietpreise in den spanischen Großstädten sind ein Thema: Viele Einheimische müssten wegziehen, weil Besucher die schönsten Wohnungen belegten. Nun will die Landesregierung auf den Balearen gegen illegale Anbieter von Appartements an Touristen auf Mallorca vorgehen. Denn obwohl die Vermietung von Ferienwohnungen eine Lizenz des Tourismusministeriums erfordert, vermieteten etliche Wohnungsbesitzer ihre Wohnungen im Sommer an Touristen (siehe Bild 10 in der Bildstrecke).
Seit Dienstag wurden deshalb die Kontrollen verschärft: Unter anderem muss der Besitzer eines Apartments im Fall einer Mietdauer von weniger als 30 Tagen nachweisen, dass es sich bei seinen Gästen nicht um Urlauber handelt. Ansonsten drohen Geldbussen zwischen 20.000 und 40.000 Euro.
Auch den großen Vermittlungsportalen wie Airbnb oder HomeAway wurde nun eine Frist von rund zwei Wochen gesetzt, um ihr Angebot ans neue Regelwerk anzupassen. 30 Portale seien aufgefordert worden, klarzustellen, dass jede angebotene Wohnung die entsprechende Lizenz des balearischen Tourismusministeriums besitze, wie die«Mallorca Zeitung» schreibt. Im Fall von Verstößen drohen den Unternehmern Geldbussen zwischen 40.000 und 400.000 Euro.
Erste Reaktionen auf drohende Bussen
Wie die Zeitung «Ultima Hora» am Donnerstag schrieb, tragen die Maßnahmen erste Früchte: Einige Vermieter sollen bereits getätigte Buchungen von Reisenden storniert haben. Die Vereinigung für touristische Vermietungen von Apartments und Wohnungen auf den Balearen (Aptur) hatte ihren Mitgliedern empfohlen, sämtliche Angebote von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern aus dem Internet zu entfernen.
Zahlreiche Wohnungsbesitzer reagierten verärgert, da ihre Kunden bereits Anzahlungen getätigt und sogar Flugtickets gebucht hätten. Außerdem sei völlig unklar, wie und wo man diese Leute nun unterbringen solle.
• Reinigungskräfte mit Protest-Shirts
Auch in der Hotellerie brodelt es: In Hotels und Gaststätten arbeitet fast die halbe Belegschaft mit einem befristeten Vertrag zum Mindestlohn. Die Löhne seien zudem seit 2013 um 40 Prozent gesunken, reklamiert eine Reinigungskraft aus Madrid gegenüber dem Sender «Deutsche Welle». Von rund 100 Euro für eine Hotelnacht in Madrid erhalten die Zimmermädchen gerade einmal drei Euro.
«Der Motor unserer Wirtschaft, der Tourismus, schikaniert uns. Hinter den falschen Sternen zweifelhafter Hotels versteckt sich heute die Ausbeutung. Unsere Arbeitsverhältnisse sind prekär, wir werden um die Sozialversicherung betrogen, uns werden Grundrechte verweigert», sagt Angela Muñoz. Darum habe sich das Personal jetzt in einer Gewerkschaft organisiert. «Wer sich nicht selbst organisiert, wird organisiert», steht auf den T-Shirts der Zimmermädchen.
Die Politik schaltet sich ein
Mittlerweile hat sich Ministerpräsident Mariano Rajoy in die Debatte eingeschaltet. Am Mittwoch erinnerte er laut der Zeitung «Segundo Enfoque» daran, dass der Tourismus für die spanische Wirtschaft «eine Quelle des Reichtums» sei. Rund 2,5 Millionen Arbeitsplätze hängen nach Angaben des Ministerpräsidenten davon ab. Die Tourismusbranche trägt immerhin rund elf Prozent ans Bruttoinlandprodukt des Landes bei.
Anti-Touristen-Demo von Arran in Barcelona
(Quelle: Facebook/Arran Països Catalans)
(L'essentiel)