KlimaschutzStaatssekretär Turmes attackiert Merkel scharf
LUXEMBURG – Die europäischen Umweltminister verhandeln heute über die angestrebte, deutliche Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes bei Neuwagen. Doch es gibt auch Widerstand.

Der Streit über neue Klimaschutzvorgaben für Autos beschäftigt die EU-Staaten am heutigen Dienstag in Luxemburg. Die Umweltminister suchen eine gemeinsame Linie, um bis zum Frühjahr mit dem Europaparlament eine verbindliche Regelung auszuhandeln. Doch schon im Kreis der 28 EU-Staaten gehen die Meinungen weit auseinander, wie schnell die Autoindustrie Klimagase einsparen soll.
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass Neuwagen 2030 mindestens 30 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen sollen als 2020. Als Zwischenziel ist ein Minus von 15 Prozent bis 2025 vorgesehen. Deutschland trägt diese Position mit und nennt sie ambitioniert. Mehrere EU-Staaten wollen jedoch deutlich anspruchsvollere Ziele. Österreich, das derzeit den EU-Vorsitz führt, hatte den Ländern eine Einigung auf 35 Prozent vorgeschlagen.
Begrenzung der Erderwärmung sei noch möglich
Erst am Montag hatte der Weltklimarat IPCC rasches und entschiedenes Handeln angemahnt, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Die EU müsse ihre mittel- und langfristigen Klimaziele deutlich erhöhen, erklärte das Climate Action Network (CAN) in Brüssel. «Alle Augen sind jetzt auf die EU-Umweltminister gerichtet.»Die Bundesregierung fürchtet indes Jobverluste in der Autoindustrie bei einem zu schnellen Umstieg auf neue Antriebe wie E-Autos.
Carole Dieschbourg (Déi Gréng), luxemburgische Ministerin für Umwelt, sieht gerade in einer klimafreundlichen Politik eine Zukunft für Europas Autoindustrie: «Wenn wir eine starke Wirtschaft haben wollen, dann muss diese zukunftsorientiert sein; eine klimafreundliche Politik schafft Arbeitsplätze», sagt sie der anwesenden Presse vor dem Treffen auf dem Kirchberg. Vor dem Hintergrund des Montag veröffentlichten IPCC-Berichts spricht Dieschbourg nun von einem «Reality Check, ob wir fähig sind, die Ambitionen (für den Umweltschutz) hochzuziehen. Wir müssen zeigen, dass wir unsere Klimaziele ernst nehmen.»
Rüge für Angela Merkel
Härtere Worte findet Staatssekretär Claude Turmes (Déi Gréng). Er spricht von einem «Showdown» am heutigen Dienstag, bei dem Deutschland mit seinem Widerstand gegen den Klimaschutz «in die Minderheit gesetzt» werden soll. «Alles andere würde bedeuten, alles zu ignorieren, was uns die Wissenschaft empfiehlt», sagt Turmes. Luxemburg wolle eine klare Ansage zum Thema Bonus bei Umstieg auf Elektro-Autos. In diesem Bereich wolle man 50 Prozent E-Autos im Verkehr anstreben.
Deutlich wird Turmes auch bei der Frage zu alten Autos, die nach Osteuropa exportiert werden: «Es kann nicht sein, dass Dieselautos, die in Deutschland nicht mehr in die Städte dürfen, in anderen Ländern weiter die Gesundheit der Menschen gefährden.» Auch die Automobilindustrie selbst bekommt ihr Fett weg. Es könne keine Tricks mehr von seiten dieser Industrie geben, die über Jahrzehnte betrogen habe, neue Tests müssen valide und zuverlässig sein.
Und auch die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, ist vor Turmes harten Worten nicht sicher: So erinnert der luxemburgische Staatssekretär an ihre Zeit als Umweltministerin unter Helmut Kohl, in der die Automobilbranche sich auch schon nicht an Klimaschutzvereinbarungen halten musste. Turmes lässt keinen Zweifel daran, dass er Merkel als einen Hauptgrund für ausgebremste Verhandlungen sieht.
Keine Zusage für höhes Klimaziel für 2030
Die Umweltminister wollen auch eine EU-Verhandlungsposition für die nächste Weltklimakonferenz in Polen im Dezember festzurren – ebenfalls ein sehr umstrittenes Thema. Deutschland und einige andere EU-Staaten hatten sich gegen Pläne der EU-Kommission gewandt, schon jetzt international ein höheres Klimaziel für 2030 zuzusagen.
(sb/L'essentiel/dpa)