Junckers Rede – Stadion kommt nicht, dafür ein Mietzuschuss

Publiziert

Junckers RedeStadion kommt nicht, dafür ein Mietzuschuss

LUXEMBURG - Premierminister Juncker hat angekündigt, bei Stadionbau und Kinderbetreuung sparen zu wollen. Ärmere Familien bekommen indes einen Zuschuss zur Miete.

Jean-Claude Juncker hat am Dienstag einen Überblick über die Ziele der Regierung für die kommenden Monate gegeben.

Jean-Claude Juncker hat am Dienstag einen Überblick über die Ziele der Regierung für die kommenden Monate gegeben.

Editpress

«Wir müssen der Wirklichkeit ins Gesicht schauen», erklärte Premierminister Jean-Claude Juncker zu Anfang seiner Rede zur Lage der Nation. In dieser «Wirklichkeit» geht es in der luxemburgischen Politik vor allem um Einsparungen, aber auch um Umverteilung.

Hier ist eine Übersicht über die wichtigsten Veränderungen der Regierungspolitik für die kommenden Monate:

Einsparungen bei Großprojekten:

Die Spekulationen um die unsichere Zukunft eines nationalen Fußballstadions waren berechtigt: Gestrichen werden die Investitionen des Staates für den Bau eines Fußballstadions und eines Velodroms, wie Juncker am Dienstag bestätigte. Zudem werden weder die Autobahnausfahrt der A3 Livingen (Zufahrt zum Fußballstadion) noch einige administrative Gebäude (für die Straßenbauverwaltung und das Wasserschutzamt) gebaut.

Aufrecht erhalten will die Regierung jedoch den Bau der Straßenbahnlinie in der Hauptstadt, den Ausbau der Autobahn A3 Richtung Luxemburg sowie der Zugstrecken Richtung Frankreich (bei Bettemburg) sowie Richtung Deutschland (bei Sandweiler).

Staat senkt seine Kosten:

Weiterhin will der Staat bei sich selbst sparen: So soll der Fuhrpark wirtschaftlicher gestaltet werden, indem Autos gesammelt bestellt werden. Dasselbe Prinzip gilt auch für weitere Anschaffungen wie Arbeitsmaterialien.

Zu den Sparmaßnahmen gehört auch die mit der Staatsbeamtengewerkschaft ausgehandelte Nullrunde im öffentlichen Dienst bis 2015. Damit spart der Staat Personalkosten von 34 Millionen Euro 2012 und von 36 Millionen Euro im kommenden Jahr.

Mietzuschuss für Familien mit geringem Einkommen

In der Wohnungspolitik stehen einige Änderungen an. Um die Auswirkungen des teuren Wohnraums zu bremsen, sollen bedürftige Familien eine Subvention zu den Mietkosten bekommen. Die Mehrkosten für den Staat belaufen sich auf 15 Millionen Euro, die durch Kürzungen bei anderen Wohnungshilfen ausgeglichen werden sollen.

Die Hilfen gestalten sich wie folgt:
- Alleinerziehender (Einkommensgrenze: 2590 Euro) mit zwei Kindern bekommt 106 Euro
- Kinderloses Paar (Einkommensgrenze: 2420 Euro) bekommt 100 Euro
- Paar mit zwei Kindern (Einkommensgrenze: 3400 Euro) bekommt 139 Euro

Zudem soll leerstehender Wohnraum besteuert werden. «Ich finde es nicht normal, dass so viele Wohnungen leer stehen, obwohl die Nachfrage so groß ist», erklärte Jean-Claude Juncker. Daher sollen die Gemeinden bestehende Gesetze nutzen und leerstehende Wohnungen zusätzlich besteuern.

Keine Krisensteuer, aber eine höhere Solidaritätssteuer:

Die Krisensteuer, die im Jahr 2011 erhoben und 2012 wieder abgeschafft wurde, soll nicht wiederkommen. Auch ist in der laufenden Legislaturperiode keine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorgesehen.

Allerdings steigen die Solidaritätssteuer und damit de facto der Spitzensteuersatz für Vielverdiener auf 42,12 Prozent. Wie Finanzminister Luc Frieden bereits vergangene Woche mitgeteilt hatte, steigt der Steuersatz um zwei Prozent. Betroffen davon sind alle Steuerzahler. Die Solidaritätssteuer wird auf den Betrag der Einkommenssteuer berechnet.

Die Steuer steigt für Arbeitnehmer, die allein weniger als 150 000 Euro im Jahr verdienen (oder weniger als 300 000 Euro bei Verheirateten), von 4 auf 6 Prozent. Wer mehr verdient, für den steigt die Abgabe auf 8 Prozent. Für Firmen klettert die Abgabe von 5 auf 7 Prozent. Auch Gemeinden müssen erstmals wieder einen «Soli» zahlen. Durch die Erhöhung sollen insgesamt 112 Millionen Euro mehr in den Beschäftigungsfonds fließen.

Kinderbetreuung wird neu organisiert:

Der Staat will bei der Kinderbetreuung acht Millionen Euro einsparen. Dazu wird das System der «Chéques service» umgestaltet: Der Staat steckt weniger Geld in Betreuungsstrukturen. Zudem steigt die Beteiligung der Eltern in bestimmten Bereichen. Zum Ausgleich bekommen nach den Sommerferien etwa 5000 Schüler der Lyzeen Schulbuchgeld. Das Kindergeld bliebt unterdessen unangetastet. Es wird weder besteuert, noch gekürzt, noch dem Index unterworfen.

Index

Zum 1. Januar 2013 werden die Renten nicht an die Preisentwicklung angepasst, der Mindestlohn aber schon.

Wasserpreis:

Jeder Bürger soll den gleichen Preis für Wasser zahlen: Der einheitliche Wasserpreis wird im Herbst vorgestellt.

ArcelorMittal soll Grundstücke freigeben:

Im Gegenzug zu den staatlichen Hilfen für ehemalige Stahlarbeiter (Vorruhestand etc.) soll ArcelorMittal dem Staat gratis Grundstücke zur Verfügung stellen. Darauf sollen Wohnungen entstehen oder mittelständische Unternehmen angesiedelt werden. Jean-Claude Juncker bezifferte die Kosten für die Vorruhestandsregelung, die dem Staat enstehen, auf 55 Millionen Euro.

«Wachstumspakt» für Luxemburg

Die Investitionen in verschiedene Wirtschaftsbereiche will die Regierung weiter auf hohem Niveau halten und ausbauen, wie Wirtschaftsminister Etienne Schneider bereits zur Eröffnung der Frühjahrsmesse erklärt hatte. Dazu gehören:
- Forschung und Entwicklung
- Bildung
- Tourismus
- Energie
- IT- und Kommunikationssektor

«Wachstumspakt» für Europa

«Das Antreiben der Wachstumsmaschine ist vor allem eine europäische Aufgabe», erklärte Juncker in seiner Rede. Dazu sollen auf europäischem Niveau folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- eine Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank
- eine bessere Verteilung der Strukturmittel in Europa
- europaweite Verkehrsverbindungen
- europaweite Netze für Öko-Strom.
Damit die EU mehr Finanzmittel zur Verfügung habe, müsse sie Euro-Bonds einführen, so Juncker.

Über diese Maßnahmen will Juncker bereits am Donnerstag mit dem neuen französischen Präsidenten François Hollande sprechen.

(sb/L'essentiel Online)

Die Rede Minute für Minute zum Nachlesen:

Deine Meinung