Cameron und Johnsons Hassliebe«The fucker»
David Cameron und Boris Johnson waren einmal ziemlich beste Freunde. Das bevorstehende Brexit-Referendum hat die Beziehung erkalten lassen.

Großbritanniens Premierminister David Cameron und Londons umtriebiger Ex-Bürgermeister Boris Johnson verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Oft haben sich die beiden konservativen Politiker gegenseitig unterstützt. Doch seit Johnson sich am 21. Februar demonstrativ auf die Seite der Brexit-Befürworter gestellt hat, herrscht Eiszeit zwischen ihnen. «Ich bin immer noch mit Boris befreundet», sagte Cameron Anfang Mai in einem Interview mit «Glamour», «nur sind wir vielleicht keine so guten Freunde mehr.»
Experten sehen im EU-Referendum am 23. Juni einen Showdown, der darüber entscheidet, wer künftig das Land regieren wird. Wird der Brexit angenommen, dürften viele an Camerons Legitimation zweifeln. Tritt er zurück, hätte Johnson gute Chancen, in seine Fußstapfen zu treten. Gewinnt das Pro-EU-Lager, könnte Johnson seine Hoffnungen auf Camerons Posten erst einmal begraben.
Spaßvogel gegen Streber
Camerons und Johnsons Freundschaft währte drei Jahrzente – auch wenn sie nie einfach war. Seit ihrer Jugend kreuzten sich ihre Wege immer wieder: erst auf dem Elite-Internat Eton, später an der Universität Oxford, dann in der Politik. Entfernt sind sie sogar verwandt – als Cousins achten Grades. Die Beziehung der beiden Weggefährten schwankte stets zwischen Rivalität und Freundschaft, wenn auch letztere meist überwog.
Mitschüler und Kommilitonen nahmen die beiden Söhne aus der Oberschicht schon damals als äußerst unterschiedlich wahr, wie das Nachrichtenmagazin «Newsweek» schreibt. Während der zwei Jahre ältere Johnson als intellektuell brillanter Redner, aber auch als Pausenclown galt, war Cameron eher unscheinbar. «Ich war mit David Cameron zusammen in mehreren Kursen, aber ich habe überhaupt keine Erinnerung an ihn», sagt ein ehemaliger Eton-Schüler. Das sei auch anderen so gegangen, gibt er zu Protokoll, «aber jeder kannte Boris».
«Brillanter, fast genialischer Verstand»
Cameron lernte den zwei Jahre älteren Johnson erst besser kennen, als beide in Oxford Mitglieder der Studentenverbindung Bullingdon Club waren. Der Club kam zu einiger Berühmtheit wegen seiner wohlhabenden Mitglieder und deren Alkoholexzesse. Auch hier machte Johnson von sich reden, als Mitherausgeber einer Satirezeitschrift und als Präsident des renommierten Debattierclubs Oxford Union. Cameron war dafür, dank seiner Disziplin, der bessere Student, berichtet «The Independent».
«Es gibt einen himmelweiten Unterschied zwischen einer bloß sehr guten Auffassungsgabe, wie Cameron sie hat, und einem brillanten, fast genialischen Verstand wie dem von Johnson», fasst ein weiterer Eton-Mitschüler laut «Newsweek» die Unterschiede zwischen den Rivalen zusammen.
«The fucker»
Ende der 1980er-Jahre und in den 90er-Jahren machte sich Johnson als Journalist und gern gesehener Fernsehgast einen Namen und war wegen seiner schlagfertigen Sprüche beliebt. Cameron betrieb Öffentlichkeitsarbeit für die Conservative Party und blieb im Schatten. Er verstand es allerdings, sich innerhalb der Partei ein Netzwerk an Unterstützern aufzubauen, das ihm 2001 einen Sitz im Parlament und 2005 den Parteivorsitz bescherte. Auch Johnson stärkte ihm in dieser Zeit den Rücken. Seit 2010 ist Cameron Premierminister.
Johnson sass seit 2001 parallel zu seinem Job als Herausgeber des konservativen Wochenblatts «The Spectator» ebenfalls im Parlament, allerdings sei er kaum je anwesend gewesen, erinnert sich ein Parteikollege. 2004 stolperte der heute 51-Jährige über eine außereheliche Affäre – seine politische Laufbahn schien beendet. Cameron traute Johnson keinen höheren Posten zu und überging ihn, als er selbst den Parteivorsitz übernahm. Als Johnson sich 2007 im Wahlkampf um den Londoner Bürgermeisterposten befand, soll Cameron abgewinkt und gesagt haben, Johnson habe dafür nicht das passende Profil. Johnsons Kommentar darauf: «The fucker.»
Ab 2008 profilierte sich Camerons Rivale als extrovertierter, aber überaus beliebter und auch politisch erfolgreicher Bürgermeister der britischen Hauptstadt – bis zum Mai dieses Jahres. Nun braucht Johnson eine neue Herausforderung. Sollte das Pro-EU-Lager das Brexit-Referendum verlieren, muss David Cameron sich warm anziehen.
(L'essentiel/mlr)