Yuriko Backes«Unser Steuersystem muss unbedingt reformiert werden»
LUXEMBURG – Im Gespräch mit L’essentiel sprach Finanzministerin Yuriko Backes (DP) über die steuerlichen Herausforderungen, mit denen sich das Land in den kommenden Jahren konfrontiert sieht.
- von
- Joseph Gaulier

Yuriko Backes bleibt zuversichtlich, dass es in den kommenden Jahren zu einer Steuerreform kommt.
Inwieweit waren die bei der Tripartite angekündigten Steuererleichterungen im aktuellen Kontext notwendig?
Bei der Einbringung des Haushalts im Oktober vergangenes Jahr hatte ich versprochen, Steuererleichterungen vorzuschlagen, wenn sich die Haushaltslage verbessert. Mittlerweile haben uns die Statec-Prognosen, die Wirtschaftsindikatoren internationaler Organisationen und die nationale Haushaltslage bestätigt, dass es tatsächlich einen Spielraum für die Freigabe von Mitteln für Steuererleichterungen gibt, ohne das Risiko einzugehen, dass die Staatsverschuldungsquote über die Grenze von 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes steigt. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns in einer Polykrise befinden, und dass die Erhaltung der Kaufkraft der Haushalte weiterhin eine der Prioritäten der Regierung ist.
Was antworten Sie der Opposition, die zum Teil von einem «Wahlgeschenk» spricht?
Es handelt sich um ein Abkommen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern. Und bei den Gesprächen in der Chamber nach dem Tripartite-Abkommen sprachen die meisten Parteien ihre Unterstützung für die Maßnahmen des «Solidaritéitspak 3.0» aus. Es musste etwas unternommen werden, um die Kaufkraft der Bürger zu erhalten. Wie ich bereits erwähnt habe, habe ich mich verpflichtet, bereits im Oktober Steuererleichterungen vorzuschlagen, vorausgesetzt, dass die Kriterien dafür erfüllt sind. Die Regierung hätte die gleichen Entscheidungen auch außerhalb einer Wahlperiode getroffen.
Sind die Energieprämien nicht zu wenig zielgerichtet?
Ziel Nummer eins der im September 2022 eingeführten Energiemaßnahmen war, zu versuchen, die Inflation in Luxemburg unter Kontrolle zu bringen und ich stelle fest, dass es uns gelungen ist. Tatsächlich war das Inflationsniveau in Luxemburg im vergangenen Jahr das niedrigste in Europa. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit den Sozialpartnern beschlossen, diese Maßnahmen auch 2024 fortzusetzen. Nach Berechnungen des Statec sollte die Verlängerung der Energieprämie die Inflation im Jahr 2024 auf 2,8 Prozent senken – mit einer einzigen Indextranche im vierten Quartal des Jahres. Diese Maßnahme sorgt dementsprechend für eine gewisse Vorhersehbarkeit, die in einem nach wie vor unsicheren wirtschaftlichen und finanziellen Umfeld von entscheidender Bedeutung ist.
Sollten Singles und Paare gleich besteuert werden?
Ich bin der Ansicht, dass unser Steuersystem unbedingt reformiert werden muss. Obwohl das System im Laufe der Jahre angepasst wurde, gibt es meiner Meinung nach noch viel zu tun, und die Individualisierung der Besteuerung ist dabei ein Schlüsselelement. Unser System muss an eine moderne Gesellschaft angepasst werden - eine Gesellschaft, die sich weiterentwickelt hat - und ich hoffe, die Möglichkeit zu erhalten, mich damit beschäftigen zu dürfen.
Luxemburg dürfte bis 2026 eine Staatsverschuldungsquote von 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes erreichen. Schränkt dies den Spielraum für eine zukünftige große Steuerreform ein?
Das hängt ganz vom Ergebnis der Parlamentswahlen und vom politischen Willen der nächsten Regierung ab. Sollte die Steuerreform zu den Prioritäten gehören, die die Regierung in den Koalitionsvertrag aufnimmt, wird es darum gehen, die Auswirkungen unter verschiedenen Hypothesen zu untersuchen. Ich persönlich bleibe weiterhin zuversichtlich, dass wir die Mittel finden werden, um eine solche Reform durchzuführen.
Wie weit stehen die Verhandlungen mit den Nachbarländern über Steuerabkommen?
Dass wir es geschafft haben, die Telearbeitstage für belgische und französische Grenzgänger auf 34 Tage zu erhöhen ist bereits ein großer Erfolg. Auf deutscher Seite stehe ich in regelmäßigem Austausch mit meinem Amtskollegen Christian Lindner. Es bleibt abzuwarten, ob wir eine zufriedenstellende Vereinbarung treffen können, um die Nutzung von Telearbeit für deutsche Grenzgänger zu erleichtern.
Warum weigern sich einige Länder (vor allem Deutschland), die Anzahl der Telearbeitstage zu erhöhen? Woran scheitert die Diskussion?
Luxemburg ist nur eins der insgesamt neun Nachbarländer Deutschlands. Was mit einem Nachbarland vereinbart wird, hat auch auf die Gespräche über das Thema mit anderen Nachbarländern eine Auswirkung. Ich bin weiterhin zuversichtlich, dass wir demnächst zu einer Einigung kommen werden.