Jugendsünde Tattoo – «Vögel sind das Arschgeweih von heute»

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Jugendsünde Tattoo«Vögel sind das Arschgeweih von heute»

Tattoos mutieren zum Accessoire – schon bei Jugendlichen. Die Entfernungsmethoden sind heute zwar besser, aber immer noch schmerzhaft, langwierig und teuer.

A tattoo artist tattoes a visitor at the 18th edition of the Alchemy Tattoo Expo in Conthey, Switzerland, Saturday, May 19, 2012. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)

A tattoo artist tattoes a visitor at the 18th edition of the Alchemy Tattoo Expo in Conthey, Switzerland, Saturday, May 19, 2012. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)

Keystone/Laurent Gillieron

Online sind wir auf eine ausladende Bildstrecke mit «den coolsten Tattoo-Motiven für dich» gestoßen – und zwar auf der Homepage der deutschen Jugendzeitschrift Bravo. Ja, richtig. Die Bravo. Eine Zeitschrift mit im Durchschnitt zehn- bis 19-jährigen Lesern. Da fragen wir uns natürlich: Ist die Zielgruppe für Tattoos heute tatsächlich so jung?

«Tendenziell wird das Publikum immer jünger, wir haben allerdings strenge Auflagen und deswegen eher wenig ganz junge Kundschaft», sagt Tätowiererin Sandra Schenk. Die Regeln hat das Studio allerdings zum Schutz für Kunden und Team selbst erstellt: «Wir tätowieren erst ab 16 Jahren. Bis zur Volljährigkeit muss jedoch ein Elternteil mit Ausweis mitkommen und eine Einwilligung unterschreiben. Das schreckt viele ab.»

«Tattoos werden zum Modeaccessoire»

Ein gesetzlich festgelegtes Alter für das Stechen von Tattoos gibt es nämlich nicht, was Schenk für problematisch hält: «Es gibt genug schwarze Schafe, die auch ohne Einwilligung der Eltern Tattoos stechen.» Dabei handle gerade die junge Klientel oft unbedacht: «Tattoos sind bei vielen Jugendlichen zum Modeaccessoire mutiert, aber dass diese einen ein Leben lang begleiten, überlegen sich zu wenige.»

Tattoos scheinen bei jungen Menschen zu Statussymbolen geworden zu sein, welche zwar gern als Ausdruck der Individualität bezeichnet werden, am Ende aber doch nur ein Schwimmen mit der Masse verkörpern: «Die meisten wollen Trendmotive wie Unendlichkeitszeichen, Vögel und Federn – die sind das Arschgeweih von heute», meint Schenk.

Steigern Tattoo-Entfernungsmöglichkeiten Leichtfertigkeit?

Auch die immer besseren Tattoo-Entfernungsmöglichkeiten könnten die Leichtfertigkeit der Kunden beeinflussen, überlegt Schenk: «Viele denken sich vielleicht ‹Wenn ich es in zehn Jahren nicht mehr will, dann lasse ich es halt wegmachen›». Die damit verbundenen Kosten und Schmerzen seien den meisten zu diesem Zeitpunkt aber nicht bewusst.

Dass es sich manche sogar noch schneller anders überlegen, weiß Dr. med. Christian Köhler, Geschäftsführer des Prevention Center für plastische Chirurgie in Zürich, aus Erfahrung: «Wir haben immer wieder Anfragen von Leuten, die sich erst vor ein paar Tage ein Tattoo haben machen lassen und es so grässlich finden, dass sie es gleich wieder entfernen lassen wollen.»

Vom Bauarbeiter bis zum Millionär

Dr. Köhler war europaweit der Erste, der vor eineinhalb Jahren in den neuartigen Pico-Sure-Laser investierte – und kann sich seitdem vor Anfragen kaum retten: «Wir machen im Durchschnitt 100 Behandlungen pro Monat, Tendenz steigend.» Die Klientel erstrecke sich vom Bauarbeiter bis zum Millionär, verrät er. Doch nicht alle kommen zur kompletten Tattoo-Entfernung: «Viele Kunden kommen heute, um ihr Tattoo entweder verkleinern oder verblassen zu lassen, um später etwas Neues darüberstechen zu können.» 50 Prozent der Anfragen kämen außerdem von Menschen, die sich bereits mit einer anderen Methode hätten behandeln lassen, das Ergebnis aber als unbefriedigend empfänden.

Je nach Größe des Motivs kostet einen Sitzung mit dem Pico Sure zwischen 500 und 1000 Euro. Wie viele Sitzungen es braucht, hängt von individuellen Faktoren ab, im Durchschnitt sind es jedoch vier bis acht. Ein hoher Preis für eine unbedachte Jugendsünde.

(L'essentiel/jp)

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