BilligfliegerWarum Ryanair plötzlich nett ist
Mit absurden Ideen und satten Strafgebühren machte Ryanair Schlagzeilen. Dann kam die Krise. Wie die irische Billig-Airline jetzt umdenkt.

«Hätte ich früher gewusst, dass Nettsein zu den Kunden gut fürs Business ist, wäre ich es schon seit Jahren gewesen»: Der exzentrische Ryanair-Chef Michael O'Leary. (Archivbild)
Eine Gebühr fürs WC, ein Aufschlag für Dicke, Stehplätze für alle: Die irische Billig-Airline Ryanair hat sich in der Vergangenheit einen Spaß daraus gemacht, die unmöglichsten Sparmaßnahmen anzukündigen. Umgesetzt wurden die radikalen Ideen selten, aber darum ging es auch nie, wie Ryanair-Chef Michael O'Leary in einem Interview zugab. «Das war großartige PR», sagte er 2014 zur «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Alle paar Monate habe es Ryanair so in die Schlagzeilen geschafft. «Als wir noch eine kleine Fluglinie waren, hatten wir nicht viel Geld für Werbung. Da müssen Sie viel Aufmerksamkeit erregen.»
Bloß: Der Erfolg dieser «Gratis-PR» scheint sich in Grenzen gehalten zu haben. Während 20 Jahren konnte Ryanair die Zahl seiner Passagiere kontinuierlich erhöhen, 2013 kam der Einbruch. Die irische Airline musste während des Geschäftsjahres mehrere Gewinnwarnungen herausgeben. Die Zahl der Passagiere stagnierte, in einigen Monaten drehte sie sogar ins Minus. Investoren waren besorgt, die Aktie verlor zwischen Juli und September 2013 rund 20 Prozent ihres Werts.
Personal soll «weniger konfrontativ» sein
Verantwortlich für den Einbruch war einerseits die immer härter werdende Konkurrenz im Billigsektor. Die deutsche Lufthansa etwa rückte Ryanair mit der Billigtochter Germanwings auf den Leib. Diese baute ihr Streckennetz allein im Jahr 2013 um 60 Prozent aus. Andererseits schien aber auch das Geschäftsmodell von Ryanair-Chef O'Leary – wenig Service, viel Provokation – an Grenzen zu stoßen. Die Kritik wurde lauter, das Image von Ryanair bekam Risse. «Unser draufgängerischer Ton lenkte von den großartigen Tarifen, der Pünktlichkeit und den neuen Flugzeugen ab», konstatiert O'Leary im «Wall Street Journal» (WSJ).
Um die Herzen der Kunden zurückzugewinnen, beschloss Ryanair eine Kehrtwende, die aus mehreren Maßnahmen bestand. So wurden etwa Strafgebühren gesenkt und Regeln fürs Handgepäck gelockert. Wer vergisst, seinen Boarding Pass auszudrucken, musste dafür ursprünglich zum Beispiel eine Gebühr von 70 Euro bezahlen. Eine Maßnahme, die O'Leary einst mit der «Dummheit» der Betroffenen rechtfertigte. Heute beträgt die Gebühr noch 45 Euro. Außerdem dürfen die Passagiere neben dem Handgepäckstück nun auch eine kleine Tasche mit an Bord nehmen. Laut einem Reisemagazin werden die Gepäckstücke auch nicht mehr so häufig und sorgfältig auf ihre Größe überprüft. Das Personal sei zudem angewiesen worden, «weniger konfrontativ» zu sein, wie O'Leary zum WSJ sagt. Und auch der «bugle call» – eine Trompetenfanfare inklusive Werbeslogan, die jedes Mal ertönte, wenn ein Ryanair-Flug pünktlich landete – wurde abgeschafft, weil viele Passagiere sich darüber genervt hatten.
Die Maßnahmen zeigten Wirkung: Hatte das Passagierwachstum in den Geschäftsjahren 2013 und 2014 noch rund 3,5 Prozent betragen, stieg es im Geschäftsjahr 2015 auf 13,3 Prozent an. Im Januar und Februar 2016 betrug es satte 25 beziehungsweise 28 Prozent. Laut aktuellen Prognosen soll die Auslastung der Sitzplätze im aktuellen Geschäftsjahr mindestens 92 Prozent betragen – ein Anstieg von neun Prozentpunkten seit März 2014. Ryanair habe «die Krone als Europas erfolgreichste Airline» bei fast jeder Kennzahl zurückgewonnen, sagt der Analyst Oliver Sleath zum WSJ. Und Skandalchef O'Leary hat eine Lektion gelernt: «Hätte ich früher gewusst, dass Nettsein zu den Kunden gut fürs Business ist, wäre ich es schon seit Jahren gewesen.»
(L'essentiel/fko)