Saudis und der TerrorWas steht in den 28 streng geheimen Seiten zu 9/11?
Obamas Besuch in Saudi-Arabien wird belastet vom Verdacht, Saudis hätten den «9/11»-Terroristen geholfen. Wie lange bleiben Informationen darüber geheim?

Selten war das Verhältnis zweier alter Freunde so getrübt. Wenn US-Präsident Barack Obama zu seinem vierten Staatsbesuch in Saudi-Arabien eintrifft, muss er tiefe Brüche im Verhältnis mit dem langjährigen Partner kitten. Am schwersten zu lösen ist womöglich die Frage der saudischen Mitverantwortung an den Terrorangriffen vom 11. September 2001 in New York und Washington.
Wie die New York Times berichtet, ist das saudische Königreich dieser Tage gleich dreifach in der Krise. Erstens fehlen König Salman bin Abdul Aziz wegen der tiefen Ölpreise dringend benötigte Geldmittel, um den Staatshaushalt in Ordnung und die Bevölkerung bei der Stange zu halten. Zweitens toben Bürgerkriege in drei Staaten in der Nachbarschaft (Irak, Syrien und Jemen). Drittens macht sich in der Region der Iran militärisch und wirtschaftlich breit, gestärkt durch das im letzten Jahr mit den USA und anderen Nationen abgeschlossene Nuklearabkommen.
Angehörige wollen klagen
Rauben diese schweren Probleme dem König und seinen Prinzen den Schlaf, dann bereitet ihnen etwas anderes geradezu Albträume: die Aussicht, dass amerikanische Gerichte über die saudische Mitverantwortung an «9/11» und seinen 2996 Todesopfern urteilen könnten. Genau dies fordern deren Angehörige mit Schadenersatzklagen.
Doch die für die Klagen nötigen Informationen bleiben den Opferfamilien unzugänglich. Sie stehen in einem 838 Seiten langen Untersuchungsbericht, den der US-Kongress 2002 erstellen ließ. Doch die 28 Seiten zur Saudi-Connection sind hoch geheim und lagern seit Jahren in einem Dokumentenverlies tief im Untergrund von Washington.
Saudi-Agent half Terroristen
Am 10. April ging ein Bericht des TV-Magazins «60 Minutes» erneut der Frage nach, was die geheimen 28 Seiten genau beinhalten. Die Autoren sprachen mit ehemaligen Politikern und früheren FBI-Agenten, die vom weggesperrten Inhalt Kenntnis haben. Sie kommen zum Schluss, dass mindestens zwei der 15 aus Saudi-Arabien stammenden «9/11»-Terroristen bei ihrer Ankunft in den USA im Jahr 2000 Hilfe von einem saudischen Agenten in San Diego erhielten.
Der Mann mit Namen Omar al-Bayoumi gab den neu eingereisten al-Qaida-Mitgliedern Najaf al-Hazmi und Khalid al-Mihdbar Geld und logistische Unterstützung. Dank ihm konnten sie zwei Wohnungen beziehen und eine Flugschule besuchen, obwohl sie weder von der englischen Sprache noch der amerikanischen Kultur eine Ahnung hatten. Laut «60 Minutes» telefonierte al-Bayoumi sogar viermal mit dem Imam Anwar al-Alwaki in San Diego, der später in Jemen zum Chefpropagandisten der al-Qaida wurde.
«Wir haben die Saudis nicht entlastet»
Da al-Bayoumi kein prominenter Saudi war, lässt sich seine Rolle mit der offiziellen Leseart vereinbaren, wonach es keine Finanzierung der «9/11»-Operation durch «die saudische Regierung oder hohe saudische Offizielle» gegeben habe. Der Kongressbericht habe ohnehin keinen Persilschein ausgestellt, sagt Ex-Senator Bob Kerrey: «Wir haben die Saudis nicht entlastet.»
Eine Offenlegung der 28 Seiten könnte den saudischen Staat viel Geld und Renommee kosten. Wie viel auf dem Spiel steht, machte Außenminister Adel al-Ahmad al-Jubeir klar, als er laut «New York Times» androhte, in einem solchen Fall müsste sein Land US-Staatsanleihen im Wert von bis zu 750 Milliarden Dollar verkaufen. Die wirtschaftlichen Folgen wären katastrophal.
Vorläufig gilt der Beschluss eines US-Richters, dass der Grundsatz der staatlichen Immunität Saudi-Arabien gegen eine Klage durch die Opferfamilien schütze. Mit Hinweis auf das Risiko von Retourkutschen sperrt sich Obama dagegen, die Geheimhaltung aufzuheben. Sollte ein US-Präsident seine Haltung ändern oder vom Kongress dazu gezwungen werden, könnte es jedoch ungemütlich werden.
(L'essentiel/sut)