Drohender StaatsbankrottWas wäre, wenn Griechenland pleitegeht?
Griechenland steht am Abgrund, der Staatsbankrott hängt wie ein Damoklesschwert über dem Land. Ein Gedankenspiel zu den möglichen Folgen einer Zahlungsunfähigkeit.

Griechenland steht finanziell am Abgrund. (Bild: Keystone)
In der Debatte um Griechenland wird immer mal wieder von einer Pleite des Staates gesprochen. Welche Folgen das genau hätte, ist unklar. So sagte Alexander Graf Lambsdorff, Vorsitzender der FDP-Gruppe im Europaparlament, am Donnerstag dem Radiosender NDR-Info: «Wir müssen die Griechen mit Kapital unterstützen, weil wir keinerlei Erfahrung damit haben, was es bedeutet, wenn ein Land in der Eurozone oder in einer Währungsunion überhaupt zahlungsunfähig wird. Das kann eine chaotische Situation werden, wie nach dem Zusammenbruch der Lehman-Brothers-Bank. Und das will wirklich niemand mehr.»
Machen wir ein Gedankenspiel. Wirtschaft bedeutet ja, dass Geld fließt und gegen eine Leistung getauscht wird. Ein Zahlungsstopp des griechischen Staates bedeutet ja, dass er seine Beamten und Angestellten nicht mehr bezahlen würde. Die hätten dann kein Geld mehr und müssten von ihren Ersparnissen leben. Ob und wie gut sie das über eine längere Zeit überhaupt könnten, ist unklar. Vermutlich würden diese Menschen zum Überleben auf ihre Familien und auf einen Naturaltausch zurückgreifen. Manch einer würde vielleicht auch einen Kartoffelacker anlegen.
Jedenfalls gäbe es einen erheblichen Rückgang bei der Nachfrage nach Gütern und Diensten durch die Beamten. Damit hätte dies auch einen unmittelbaren Rückgang der Leistung der Privatwirtschaft zur Folge. Hier drohen dann weitere Arbeitsplatzverluste und Unternehmenspleiten. Importe, zum Beispiel von deutschen Autos und Maschinen, könnte sich Griechenland nicht mehr leisten.
Bleiben die Beamten ohne Gehalt zu Hause?
Vermutlich würden viele Staatsbedienstete ohne Gehalt auch nicht zur Arbeit gehen. Damit würden grundlegende Dienste des öffentlichen Lebens stillgelegt: möglicherweise die Schulen, Hochschulen, die Polizei, die Gerichte, das Militär. Je nach Ausmaß könnte damit die öffentliche Ordnung zusammenbrechen. Und das in einer Situation, in der vermutlich noch mehr Menschen zu Protesten auf die Straße gehen würden als jetzt schon.
Ob dann noch viele ausländische Touristen nach Griechenland kommen würden, darf bezweifelt werden. Während und nach den Revolutionen in Tunesien und Ägypten brach dort dieser Wirtschaftszweig fast völlig zusammen. Und diese Branche ist für Griechenland extrem wichtig. Damit käme aber kein Geld mehr aus dem Ausland nach Griechenland, die Wirtschaft würde weiter schrumpfen.
Wenn der griechische Staat seine Rechnungen nicht mehr zahlt, trocknen aber auch seine Lieferanten aus. Alle Unternehmen, die für ihn Leistungen erbracht haben, kämen in die Bredouille. Möglicherweise würden sie Personal entlassen oder sogar selber Pleite gehen, wenn sie besonders stark von Staatsaufträgen abhängen. Damit würde die Wirtschaftsleistung Griechenlands weiter schrumpfen.
Unklar ist, ob die griechische Sozialversicherung keine Renten mehr auszahlen würde, keine Krankenpflege mehr übernähme oder auch das Arbeitslosengeld gestoppt würde. Wäre dies der Fall, würden auch die Rentner und die Arbeitslosen von ihren Ersparnissen leben müssen. Ärzte und Krankenhäuser in Griechenland würden wohl ihren Dienst einstellen oder drastisch einschränken.
Ausländische Gläubiger müssten Anleihen abschreiben
Sollte Griechenland seine Anleihen nicht mehr bedienen, bekämen seine Banken und die ausländischen Gläubiger nicht nur keine Zinsen mehr. Sie müssten die Wertpapiere auch sofort komplett abschreiben. Was insbesondere die griechischen, französischen und deutschen Banken treffen würde.
Anleger würden vermutlich bei einem Ausfall Griechenlands auch nicht mehr Anleihen des Euro-Rettungsschirmes EFSF kaufen, mit denen Irland und Portugal finanziert werden. Vielleicht auch nicht mehr spanische Staatsanleihen. Diese Papiere müssten dann möglicherweise auch abgewertet werden.
Abhängigkeit vom Nachbar
Sollte der Euro dann insgesamt auf den Finanzmärkten kräftig abstürzen, könnte dies zwar die Exporte aus Europa erleichtern. Aber die Importe würden deutlich teurer, also zum Beispiel beim Öl. Das würde auch die anderen Europäer viel Geld kosten.
Eine Pleite Griechenlands zöge also viele negative Folgen für das Land und für Europa nach sich. Über den Euro, die Handelsbeziehungen, den EU-Haushalt und viele andere Bänder sind die EU-Staaten so stark miteinander verflochten, dass die Regeln gelten: Mir geht es schlecht, wenn es meinem Nachbarn schlechtgeht. Und mir geht es gut, wenn es meinem Nachbarn gutgeht.
L'essentiel Online/dapd/harald Schultz
Wieder Aufruf zum Generalstreik
Aus Protest gegen ein weiteres milliardenschweres Sparpaket hat die größte Gewerkschaft in Griechenland für die kommende Woche zu einem Generalstreik aufgerufen. Die GSEE forderte am Donnerstag dazu auf, am 28. und 29. Juni für 48 Stunden in den Ausstand zu treten. Damit solle die sozialistische Regierung zu einem Politikwechsel bewegt werden. (AP)