LuxemburgWenn auch Anwälte ihre Rechnungen nicht zahlen können
LUXEMBURG – Obwohl die Mehrheit des Berufsstandes sehr gut verdient, bekommt das Bild des superreichen Anwalts in Luxemburg Risse. Besonders junge Kollegen drohen in Schieflage zu geraten, erklärt die «Bâtonnière sortante» Valérie Dupong.
- von
- Nicolas Martin

Valérie Dupong, die frühere Vorsitzende der luxemburgischen Anwaltskammer.
Auch wenn viele wohl davon ausgehen: Nicht alle Anwälte im Großherzogtum schwimmen im Geld. Um dem Problem auf den Grund zu gehen, hat die Luxemburger Anwaltskammer im vergangenen Jahr bei ihren zugelassenen Mitgliedern eine Umfrage zu deren Wohlbefinden gestartet. Etwa 1100 der 3100 Anwälte haben den Fragebogen ausgefüllt. Darunter ein nicht zu vernachlässigender Teil, der wohl von Nöten betroffen ist.
Immerhin 20 Prozent der Teilnehmenden gab an, «Schwierigkeiten beim Begleichen der beruflichen und privaten Ausgaben zu haben», wie Valérie Dupong, die frühere Präsidentin der Anwaltskammer, erklärt. «Schuld sind unzureichende oder unregelmäßige Einkommen», sagt sie. Das wiederum bringe Schwierigkeiten, Miete, Sozialabgaben, Steuervorauszahlungen oder die Mehrwertsteuer zu begleichen.
«Die Mehrheit der Anwälte wird sehr gut bezahlt und verdient durchaus gut», stellt Valérie Dupong klar, «aber manche können kaum von ihrem Beruf leben. Wir haben einen Prozentsatz unserer Kollegen, vor allem junge Anwälte und kleine Büros ohne finanzielle Reserve, die sehr unter der Coronakrise gelitten haben. Viele haben Schwierigkeiten, sich zu etablieren», fügt sie hinzu.
Mehr und mehr Anwälte
Um den betroffenen Anwälten zu helfen, hat die Anwaltskammer einen neuen Beratungsdienst eingerichtet. «Der Präsident wird über Verfahren oder Vorladungen gegen einen Anwalt informiert, beispielsweise aus finanziellen Gründen, aus Gründen die Sozialversicherung oder Mehrwertsteuer betreffend. «Wir haben festgestellt, dass es mehr und mehr Verfahren gegen Anwälte gibt, die es nicht mehr schaffen, ihre Rechnungen zu bezahlen», so Dupong.
An die jungen Kollegen hat die Kammer kürzlich ein Rundschreiben verschickt, um klarzustellen, dass nicht-angestellte Anwälte mindestens den qualifizierten Mindestlohn bekommen. «Wir haben gehört, dass das nicht immer der Fall ist», fährt die frühere Präsidentin der Anwaltskammer fort. «Wir rufen die jungen Leute auf, zu uns zu kommen, sobald die Schwierigkeiten anfangen und nicht abzuwarten», fügt sie hinzu. Abgesehen von Problemen, die Geschäfte zu führen, können die Gründe, sich Hilfe bei der Beratung zu suchen, vielfältig sein. Auch Depressionen oder andere private Anliegen gehören dazu.
Durch die Energiekrise erwartet Valérie Dupong auch hier eine Verschlimmerung des Problems. «Wir haben mit den Anwaltskammern anderer Länder (Deutschland, Niederlande, Schweiz und Österreich) gesprochen und wir sind uns einig, dass dies unsere jungen Kollegen und kleinen Kanzleien hart treffen wird». Vor allem die, die sich gerade niedergelassen hätten und verschuldet sind.
Kostenlose Beratungen
Im Rahmen des Europäische Anwaltstags am 25. Oktober werden heute (8 bis 19 Uhr) im Justizbezirk Luxemburg kostenlose Beratungen für Bürger angeboten. Es gibt Auskunft zu den Themen Familien-, Immigrations-, Arbeits- sowie Mietrecht. Eine Terminvereinbarung ist nicht nötig.