IOC-EntscheidungWer bekommt Olympia 2018?
Pyeongchang, München oder Annecy: Welche Stadt darf sich 2018 als Gastgeber der 23. Olympischen Winterspiele präsentieren? Am Mittwoch fällt in Durban die Entscheidung.

Ein Jahr nach der Fußball-WM steht Südafrika zumindest für ein paar wenige Tage erneut im Brennpunkt der Sportwelt. Im subtropischen Durban, der Stadt des Schweizer Sensationssieges gegen den späteren Weltmeister Spanien, werden am Mittwoch wintersportpolitische Weichen gestellt. Gegen 17 Uhr Luxemburger Zeit wird Jacques Rogge, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, in seiner spröden Art verkünden, welche Stadt in sieben Jahren die Olympischen Spiele veranstalten darf.
Zur Auswahl stehen der Favorit Pyeongchang, der aussichtsreiche Herausforderer München sowie der krasse Außenseiter Annecy. 104 der 110 IOC-Mitglieder sind im ersten Wahlgang stimmberechtigt. Dass das Gremium stets für eine Überraschung gut ist, wissen nicht nur Adolf Ogi und die anderen Promotoren von «Sion 2006». Seit Peking den Zuschlag für die Sommerspiele 2008 erhielt, setzte sich kein Topfavorit mehr durch, sondern Vancouver, London, Sotschi und Rio de Janeiro.
Wird gut, was lange währt?
Pyeongchang unterlag sowohl 2003 (53:56 gegen Vancouver) als auch 2007 (47:51 gegen Sotschi) denkbar knapp. Sollte es beim dritten Anlauf klappen, würden in Südkorea 30 Jahre nach den vom Dopingskandal um Sprinter Ben Johnson überschatteten Sommerspielen in Seoul die Schnee- und Eissportler um Olympia-Medaillen kämpfen.
Das Dossier des Dauerkandidaten weist kaum Schwächen auf und verspricht Winterspiele auf vergleichsweise engstem Raum. Pyeongchang und die Partnerstadt Gangneung liegen keine halbe Stunde auseinander, 90 Prozent der Sportler würden in fünf bis zehn Minuten vom olympischen Dorf an ihre Wettkampfstätte gelangen. Herzstück der Bewerbung ist das Retorten-Resort Alpensia. Im Namen verschmelzen die Begriffe «Alpen» und «Asia». Für 1,5 Milliarden Dollar wurde ein Kartoffelacker in einen hochmodernen Wintersport-Komplex verwandelt. Auch das Stadion für Eröffnungs- und Schlussfeier mit 50 000 Sitzen steht schon.
Pyeongchang wirbt mit dem Slogan «Neue Horizonte». Folgt das IOC dem auch in der Sportpolitik forcierten Trend der Erschließung neuer Märkte weiter, kann der Weg nur nach Südkorea führen. Pyeongchang 2018 wäre die logische Fortsetzung nach den Entscheiden für Sotschi 2014 und Rio de Janeiro 2016 und würde auch zu den aktuellen Präferenzen des Fifa-Exekutivkomitees passen (wovon auch immer diese im Fall der Wahl von Katar zum Ausrichter der Fussball-WM 2022 motiviert gewesen sein mögen). Abgesehen von Japan, das 1972 und 1998 Winterspiele veranstaltete, ist Asien, der Heimatkontinent von zwei Dritteln der Erdbevölkerung, aus wintersportlicher Sicht ein riesiger Wachstumsmarkt.
Einen Mangel an Charme und Spontanität kompensiert das südkoreanische Kandidaturkomitee mit harter Währung. Acht Milliarden Dollar liesse man sich die ersehnte Erfüllung des Olympia-Traums kosten. Mit zusätzlichen 500 Millionen Dollar würden Wintersport-Entwicklungsländer unterstützt. Ein Schelm, wer glaubt, die Asiaten erhofften sich von so viel Grosszügigkeit die Stimme des einen oder anderen IOC-Mitglieds ohne Jahres-Skipass.
Alpenländisches Idyll
Wenn München ein «Fest der Freundschaft» anpreist, tönt das daneben schon fast kitschig. Das Nachbarland beschwört das alpenländische Wintersport-Idyll. Die Begeisterung der Bevölkerung hält sich im Vergleich mit Südkorea in Grenzen. Der Wirbel, den verärgerte Grundstückbesitzer in Garmisch-Partenkirchen veranstaltet haben, hat der Kandidatur geschadet. Und doch wäre es alles andere als eine Sensation, sollte München aus der Außenseiterrolle der Coup gelingen.
Die Evaluierungskommission stuft die deutsche Bewerbung nur unwesentlich weniger hoch ein als jene aus Südkorea. Der Zweikampf scheint so kurz vor der Ziellinie offener denn je. Im Land der inoffiziellen Organisations-Weltmeister kann sogar um eine Frauen-Fußball-WM ein Hype entstehen. Kein Wunder, weisen deutsche Medien immer noch genüßlich auf die chaotischen Zustände anläßlich der 2009 in Pyeongchang durchgeführten WM in ihrer liebsten Wintersportart Biathlon hin. München wäre die erste Stadt, die nach Sommer- auch Winterspiele veranstalten darf. Zwischen 1972 und der Kandidatur für 2018 liegen die gescheiterten Projekte von Berchtesgaden (Winterspiele 1992), Berlin (Sommerspiele 2000) und Leipzig (Sommerspiele 2012).
Sarkozys Verzicht
Dem dritten Anwärter ist am Mittwoch nur eine Statistenrolle zugedacht. 19 Jahre nach den ziemlich freudlosen Winterspielen in Albertville ist die Zeit nicht reif für ein nächstes Rendez-vous in den französischen Alpen - zumal das mit dem «Treffen» aufgrund des wie 1992 dezentralen Konzepts von Annecy 2018 schwierig würde. Wer sich wie große Chancen für den Zuschlag ausrechnet, zeigt sich jeweils schon an der Delegationsspitze. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy erspart sich den Trip an den Indischen Ozean und überlässt es Premierminister François Fillon, vor den TV-Kameras die betretene Miene des mutmaßlich ersten Verlierers zu machen.
(L'essentiel online/si)
Auch Großherzog Henri dabei
Auch der Großherzog Henri nimmt an der Sitzung des Olympia-Komitees, das über die Olympia-Vergabe entscheidet, in Durban teil. Der Großherzog gehört seit 1998 dem IOC an. Das Komittee zählt aktuell 110 aktive Mitglieder.