Irre, Idealisten, Helden?Westliche Freiwillige gegen den IS an vorderster Front
Eine Gruppe von Freiwilligen aus den USA und Großbritannien macht den Krieg gegen den «Islamischen Staat» zu einem eigenen Anliegen. Sie kämpfen in Raqqa an vorderster Front.

Zwei Amerikaner und ein Brite kauern im oberen Stockwerk eines verlassenen Gebäudes in Raqqa, ihre Waffen im Anschlag. Ihre Gegner sind Scharfschützen der Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) auf der anderen Seite der Frontlinie. Das Trio zählt zu einer Gruppe von Freiwilligen aus den beiden Ländern, die den Krieg gegen den IS in Syrien und die entscheidende Schlacht um Raqqa zu einem eigenen Anliegen gemacht haben. Raqqa ist die inoffizielle Hauptstadt des vom IS ausgerufenen Kalifats in Teilen Syriens und des benachbarten Irak.
Die Männer haben sich aus verschiedenen Gründen mit den USA verbündeten syrischen Milizen angeschlossen. Die einen wurden durch Augenzeugenberichte über die unvorstellbare Brutalität motiviert, die der IS in den von ihm kontrollierten Gebieten an den Tag gelegt hat. Für andere ist der Kampf gegen den IS ein nobles Streben nach Gerechtigkeit, in der Überzeugung, dass Gewalt nur mit Gewalt begegnet werden könne.
Ein Kalifornier als Sanitäter und Scharfschütze
Taylor Hudson aus dem kalifornischen Pasadena vergleicht die Schlacht um Raqqa mit der um Berlin im Zweiten Weltkrieg, die entscheidende Bedeutung für das Ende der Hitler-Herrschaft hatte. «Dies ist das Berlin unserer Zeit», sagt der 33-Jährige, der gleich zwei Funktionen als Sanitäter und Scharfschütze ausübt.
Der Bürgerkrieg in Syrien, der nun schon seit mehr als sechs Jahren andauert, hat ausländische Kämpfer auf allen Seiten des komplizierten Konflikts angezogen. Islamische Extremisten aus Europa, Asien und Nordafrika sowie rivalisierende radikale Gruppen mit Verbindungen zu al-Qaida haben den IS verstärkt, schiitische iranische und libanesische Milizen an der Seite der syrischen Regierung gekämpft.
Tausende ausländische Kämpfer – beim IS
Im Anti-IS-Lager sind die meisten ausländischen Freiwilligen zu der kurdischen Miliz geströmt, die als Volksschutzeinheiten oder unter ihrem kurdischen Kürzel YPG bekannt ist. Allerdings sind diese Verstärkungen in ihrer Zahl weitaus geringer als die Tausenden ausländischen Kämpfer, die sich dem IS angeschlossen haben. Das US-Militär hat im Krieg gegen den IS enge Beziehungen zur YPG und deren verlängertem Arm, den Demokratischen Kräften Syriens, entwickelt.
Einige Freiwillige aus dem Westen sind umgekommen, so zwei junge Amerikaner im Kampf für die Befreiung Raqqas, der am 6. Juni begonnen hat. Mittlerweile haben die US-gestützten Kräfte etwa ein Drittel der Stadt zurückerobert.
Hudson, daheim ein Pharmaziestudent mit Sanitätserfahrung, kämpft schon seit 13 Monaten in Syrien. Wie er schildert, hatten ihn Medienberichte über jesidische Frauen im Irak, die von IS-Kämpfern versklavt wurden, so tief getroffen, dass er irgendwie helfen wollte. Vor Beginn der Raqqa-Offensive hat er nach eigenen Angaben etwa 600 Verwundete im Feld behandelt.
«Wir können sie nicht wegverhandeln»
Der Londoner Macer Gifford, der vor drei Jahren als Freiwilliger nach Syrien gekommen ist, hatte sich zuerst der Kurdenmiliz angeschlossen. Jetzt kämpft er an der Seite einer assyrischen Miliz, die ebenfalls zu den von den USA gestützten Kräften zählt.
«Ich bin hier, um das syrische Volk gegen Terroristen zu verteidigen», sagt der 30-Jährige, der daheim über die komplexe Situation in Syrien geschrieben und Vorträge darüber gehalten hat.
Er glaubt, dass die Militanten nur durch schiere Gewalt geschlagen werden können. Sie seien ein außergewöhnlicher Gegner, sagt der Brite. «Wir können sie nicht wegverhandeln, wir können sie nicht wegwünschen. Die einzige Weise, sie zu besiegen, ist mit Waffengewalt.»
Stolzer US-Sniper
Für den Amerikaner Kevin Howard, einen ehemaligen Vertragspartner des US-Militärs, ist der Krieg gegen den IS etwas persönlicher. Der 28-Jährige, der 2006 im Irak gekämpft hat, ist ein erfahrener Scharfschütze und stolz darauf, bereits 12 IS-Extremisten getötet zu haben, wie er selbst angibt. Er tue das für die Opfer im Bataclan in Frankreich, sagt er mit Blick auf eine Serie von Terrorangriffen in Paris im November 2015, darunter in einem Musikclub, wo allein 90 Menschen starben. Die Schwester eines der besten Freunde Howards überlebte den Angriff im Bataclan. Der IS hatte sich zu den Attacken bekannt.
Für den Kalifornier ist der freiwillige Einsatz ein Beitrag dazu, «die Sache zu einem Ende zu bringen. Wenn du etwas unerledigt zurücklässt, wird es ein Leben lang unerledigt bleiben.» Und es ist eine Chance, «völlig in das Herz der Finsternis zu stoßen, es zu packen und zu beseitigen», fügt Howard hinzu. Für ihn kann der Befehl, tiefer in den vom IS kontrollierten Teil von Raqqa vorzustoßen, nicht früh genug kommen.
(L'essentiel/gux/dapd)