Angela Merkel«Wir fordern Yücels Freilassung»
In Istanbul sitzt der deutsche Journalist Deniz Yücel in Untersuchungshaft. Der Fall wird zur Belastungsprobe für das deutsch-türkische Verhältnis.

Freie Medien als «grundlegendes Prinzip» der Demokratie: Angela Merkel am politischen Aschermittwoch in Demmin (1. März 2017).
Deutliche Worte von Angela Merkel: Die deutsche Bundeskanzlerin hat mit Nachdruck die Freilassung des in Istanbul inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel gefordert.
«Wir denken an diesem Abend auch an Deniz Yücel, der in Untersuchungshaft in der Türkei sitzt und dessen Freilassung wir fordern», sagte Merkel in ihrer Aschermittwochsrede in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. Die Bundesregierung werde «alles in ihrer Macht stehende tun, damit das geschieht.»
Merkel wies darauf hin, dass Yücel nach ihrer Auffassung «nichts anderes getan hat, als seiner Arbeit nachzugehen». Daher müsse seine Freilassung durchgesetzt werden, denn «unabhängiger Journalismus muss existieren können».
Vorwurf «Terrorpropaganda»
Die Kanzlerin betonte auch die Bedeutung der Pressefreiheit in Deutschland: «Die Tatsache, dass es freie und unabhängige Medien in dieser Republik gibt, ist ein Teil unserer Demokratie und darf niemals in Frage gestellt werden – auch wenn es unbequem ist.»
Yücel wird seit dem 14. Februar in der Türkei festgehalten, zunächst in Polizeigewahrsam, seit Montagabend dann in Untersuchungshaft. Ihm werden von den Behörden Volksverhetzung und «Terrorpropaganda» zur Last gelegt. Am Mittwoch wurde Yücel in eine andere Haftanstalt in Istanbul verlegt. Sein Anwalt Veysel Ok sagte der Nachrichtenagentur AFP, seinem Mandanten drohe eine Haftstrafe von bis zu zehneinhalb Jahren. In einer handschriftlichen Notiz, die Yücel Ok mitgab, beschrieb er seine Haftbedingungen als etwas besser als zuvor im Polizeigewahrsam.
Gauck zweifelt an türkischer Rechtsstaatlichkeit
«Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung erwarten, dass Deniz Yücel so schnell wie möglich wieder auf freien Fuß kommt», forderte auch Regierungssprecher Steffen Seibert. Er bezeichnete die Verhängung der Untersuchungshaft gegen den Journalisten als «unverständlich» und «völlig unverhältnismäßig». Seibert warf der Türkei vor, dass Yücel und andere Medienvertreter «wegen ihrer journalistischen Tätigkeit verfolgt» würden. Er verwies dabei auf weitere in Deutsche, die «unter Vorwürfen, die oft unklar sind, in der Türkei in Haft gehalten werden».
Dabei handele es sich um sechs Menschen, von denen vier auch über einen türkischen Pass verfügten, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer. Ihnen allen würden Straftaten vorgeworfen, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Putschversuch vom vergangenen Juli und dem anschließenden Vorgehen der türkischen Behörden stünden. Zudem habe die Türkei gegen «ungefähr ein gutes Dutzend» Deutsche Ausreisesperren verhängt.
Bundespräsident Joachim Gauck hatte zuvor mit Blick auf den Fall Yücel und das Vorgehen gegen andere Journalisten Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Türkei geäußert. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warf den türkischen Behörden vor, Yücel sei inhaftiert worden, «weil er etwas berichtet, was der Regierung in der Türkei nicht passt». EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn rief die Türkei in der «Welt» unter Hinweis auf «die große Zahl an Verhaftungen von Journalisten» zur Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien auf.
Unterdessen wurde bekannt, dass der türkische Justizminister Bekir Bozdag am Donnerstagabend im baden-württembergischen Gaggenau für die Verfassungsreform in seinem Land werben will. Diese soll Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr Macht geben.
(L'essentiel/jdr/afp)