Tierleid im Krieg: «Wir müssen alle warm halten» – wie ukrainische Tierärzte im Krieg kämpfen

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Tierleid im Krieg«Wir müssen alle warm halten» – wie ukrainische Tierärzte im Krieg kämpfen

Valentina und Leonid Stoyanow, zwei Tierärzte aus Odessa, haben sich mit Leib und Leben der Rettung von Tieren auch im Krieg verschrieben.

Ann Guenter
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Ann Guenter

Leonid Stoyanow über Berbermakake Tosya: «Er hat uns bei Kriegsbeginn dazu gebracht, Tiere zu retten.»

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Seit Kriegsausbruch schleppen Valentina und Leonid Stoyanow nicht nur Hunderte Säcke Tierfutter heran, um Katzen und Hunde in leeren Siedlungen zu versorgen. Sie nehmen auch ebenso viele Tiere bei sich auf. Nicht, dass sie bei den beiden ukrainischen Tierärzten aus Odessa sicher wären: «Unsere Stadt liegt jetzt leider ziemlich nah an der Frontlinie», so Leonid im Interview. 

Mittlerweile sind er und seine Frau für über 230 verschiedene Tiere verantwortlich, von Vögeln, Schildkröten, Schlangen, Geckos, Ratten, Chinchillas, Kaninchen und Igeln, Affen und zwischenzeitlich sogar Löwenbabys. 
«Einige von ihnen wurden von Menschen ausgesetzt, die vor dem Krieg flohen. Andere haben wir aus verlassenen Wohnungen geholt, wieder andere wurden aus umkämpften oder aus den besetzten Gebieten evakuiert.»

«Wir machen den Menschen keinen Vorwurf»

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Leonid erzählt etwa von Kasper, einem blinden Husky, dessen Besitzer an die Front gegangen war. Oder von Tso, der eine Woche ohne Futter und Wasser in einer verlassenen Wohnung ausharren musste, bevor jemand sein herzzerreissendes Gejaule bemerkte.

«Wir haben große Panik erlebt und gesehen, was sie bei Menschen anrichten kann», so Leonid. «Aber wir machen den Menschen keinen Vorwurf. Es ist schwer, normal zu bleiben, wenn alles um einen herum explodiert, Militärflugzeuge fliegen und ein regelrechter Wahnsinn herrscht.»

Drei Löwenbabys aus dem Zoo von Cherson

«Ihre Mutter war während der Besetzung von Cherson verhungert».

«Ihre Mutter war während der Besetzung von Cherson verhungert».

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Oder von Fiti, dem Berberaffen, der ausgesetzt worden war, weil man ihn in einem privaten Kleinzoo nicht mehr füttern und wärmen konnte. Oder die drei Löwenbabys aus dem Zoo im ehemals besetzten Cherson. «Ihre Mutter war während der Besetzung verhungert und sie befanden sich in einem kritischen Zustand», erzählt Leonid. «Wir haben viel Zeit mit ihnen verbracht, uns intensiv um sie gekümmert und es schließlich sogar geschafft, sie in die Vereinigten Staaten zu evakuieren – weit weg vom Krieg.»

Und dann gibt es noch Tosya (russisch: Über den Erwartungen). Den kleinen Berbermakaken mit den großen Augen hatten Valentina und Leonid bereits vor Kriegsbeginn in einem miserablen Zustand aus einem Streichelzoo gerettet. «Wir konnten ihn nur deshalb von dort wegbringen, weil der Besitzer sicher war, dass er sterben würde.» 

«Wir müssen unsere geretteten Tiere warm halten»

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Es gelang den beiden, Tosya aufzupäppeln. Mittlerweile ist er fester Bestandteil von Valentinas und Leonids Leben – auch wenn er als Wildtier in die Freiheit gehörte, wie Leonid betont. «Gleichzeitig war er es, der uns bei Kriegsbeginn dazu gebracht hat, Tiere zu retten und eine eigene Auffangstation zu bauen.» Als Tierärzte, die sich schon lange vor Kriegsbeginn auf exotische Tiere spezialisiert haben, wissen Leonid und Valentina genau, wie sie all die verschiedenen Zwei- und Vierbeiner versorgen müssen.

Im Krieg ist das erst recht nicht einfach. «Die größten Probleme sind Beschuss, feindliche Drohnen und Kriegsschiffe», sagt Leonid. «Und natürlich ist jetzt im Winter der Mangel an Strom ein riesiges Problem für uns. Wir müssen unsere geretteten Tiere warm halten, und wenn es keinen Strom gibt, ist das eine wirkliche Herausforderung.»

Primaten mit Herzinfarkten, erfrorene Reptilien

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Davon können Zoos im ganzen Land ein Lied singen. Allein der Feldman Ecopark im Oblast Charkiw verlor letztes Jahr Hunderte seiner Tiere. Primaten erlitten tödliche Herzinfarkte, Reptilien erfroren nach Stromausfällen, viele Tiere stürzten in ihrer Panik in die elektrischen Zäune ihrer Gehege. 

Valentina und Leonid gehen oft hohe Risiken ein, um Tiere zu retten. «Als wir einmal unter schweren Beschuss gerieten, standen wir am Ende ohne Autos da, aber Gott sei Dank haben wir noch unser Leben», so Leonid. 

Er fügt an: «Um ehrlich zu sein, gewöhnt man sich nach so vielen Monaten im Krieg an all das. Es scheint fast schon normal zu sein, dass es einfach kein anderes Leben geben kann. Aber wir erinnern uns oft an unser Leben vor dem Krieg, um in diesem Wahnsinn nicht zu ertrinken und uns daran zu erinnern, dass wir Ukrainer den Sieg und ein friedliches Leben verdient haben.»

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