«Bild» widerspricht Wulff«Wulff wollte Bericht unterbinden»
Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff wollte nach eigener Aussage keine Berichterstattung verhindern. Dem widersprechen die Verantwortlichen der «Großen Buchstaben» jetzt mit Nachdruck.

Die «Bild»-Zeitung hat mit Nachdruck der Aussage von Bundespräsident Christian Wulff widersprochen, er habe mit seinem Anruf beim Chefredaktor Kai Diekmann eine Berichterstattung zu der Kredit-Affäre nicht verhindern wollen.
«Das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden», sagte Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadt-Büros der Bild-Zeitung, am Mittwochabend im Deutschlandfunk nach Angaben des Senders.
Ob der Anruf als Drohung verstanden werden könne oder nicht, sei vielleicht eine Geschmacksfrage. «Aber klar war das Ziel dieses Anrufes, die Absicht und das Motiv, nämlich: diese Berichterstattung, diesen ersten Breaking-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses zu unterbinden», sagte Blome.
Anruf war «ein schwerer Fehler»
Wulff hatte zuvor in einem Interview von ARD und ZDF auf die Frage, ob es nicht für einen Bundespräsidenten tabu sein müsse, unliebsame Berichterstattung im Vorhinein verhindern zu wollen, gesagt: «Ich habe nicht versucht, sie zu verhindern. Ich habe darum gebeten, einen Tag abzuwarten (...).» Wulff betonte weiter, nichts Unrechtes getan zu haben. Er räumte aber ein, der Anruf bei «Bild»-Chefredakteur Diekmann sei «ein schwerer Fehler» gewesen.
Wulff steht in der Affäre seit Tagen unter besonderem Druck, seit bekannt wurde, dass er persönlich vor Erscheinen des kritischen Artikels bei Diekmann angerufen hat. Dabei hatte er der Zeitung zufolge dem verantwortlichen Redaktor mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht, sollte ein Beitrag über seinen umstrittenen Kredit veröffentlicht werden.
Die «Bild»-Zeitung hatte vor drei Wochen zuerst über die Umstände des Kredits im Wert von einer halben Million Euro berichtet. Die Frau eines befreundeten Unternehmers hatte das Darlehen gewährt.
«Es gibt auch Menschenrechte - selbst für Bundespräsidenten»
Wulff bat darum, sein Vorgehen menschlich zu verstehen - auch vor dem Hintergrund der Belastungen seiner Familie. Das deutsche Staatsoberhaupt fügte hinzu: «Es gibt auch Menschenrechte - selbst für Bundespräsidenten.» Wulff betonte, er habe einen Lernprozess durchmachen müssen. Der Wechsel vom Amt des Ministerpräsidenten in Niedersachsen zum Staatsoberhaupt sei sehr schnell gegangen.
Auf den Vorwurf, er informiere die Öffentlichkeit nur per Salami- Taktik, erwiderte Wulff, die etwa 400 Anfragen von Journalisten seien von seinen Anwälten umfassend, nach bestem Wissen und Gewissen, beantwortet worden.
Wulff steht seit Mitte Dezember wegen eines Kredits der Unternehmergattin Edith Geerkens in seiner Zeit als niedersächsischer Regierungschef in der Kritik.
«Gehobener Privatkunde» Wulff
Unterdessen bestritt die BW-Bank, dass Wulff für seinen Kredit besondere Konditionen aufgrund seines Amtes bekommen hat. Die Bank stufte Wulff in einer Stellungnahme für die «Frankfurter Rundschau» (Donnerstagausgabe) als «gehobenen Privatkunden» ein und machte deutlich, dass für die Kreditvergabe an Politiker die gleichen Anforderungen wie für andere Kunden gelten.
Geldmarktdarlehen mit Zinsen zwischen 0,9 und 2,1 Prozent wie für Wulff seien «gängige Bankprodukte, welche für gehobene Privatkunden unseres Hauses nicht ungewöhnlich sind», erklärte die Bank. Wegen der Kreditkonditionen liegen inzwischen vier Anzeigen gegen die BW-Bank vor, wie eine Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bestätigte.
Die Deutschen sind mittlerweile gespalten, ob Wulff im Amt bleiben soll. 46 Prozent der Bürger meinen, der Präsident sollte abtreten. Ebenso viele wollen Wulff im Amt behalten, wie eine veröffentlichte Umfrage. Für den Rücktritt Wulffs will eine Berliner Initiative am Samstag vor dem Schloss Bellevue demonstrieren. Wegen seines Verhaltens sei Wulff als demokratisches Vorbild nicht länger tragbar, begründeten die Initiatoren die Aktion.
Rückendeckung und Kritik
Von Wulffs Äußerungen unbeeindruckt forderte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die Kanzlerin auf, dessen Eignung für das höchste Staatsamt zu überprüfen. «Sie muss eine ehrliche Neubewertung der Fähigkeit von Herrn Wulff in diesem Amt vornehmen», sagte Gabriel. «Das ist keine Causa Wulff mehr, das ist eine Causa Merkel.»
Unterstützung bekam Wulff dagegen von CSU-Chef Horst Seehofer. «Die CSU steht zu diesem Bundespräsidenten Christian Wulff, und er hat auch unser Vertrauen.» Die CDU reagierte erleichtert auf das Interview. «Ich bin sicher, dass Christian Wulff damit erfolgreich Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen wird», erklärte Generalsekretär Hermann Gröhe.
Aktuelle Meinungsumfragen vor dem Interview zeigten, dass die Bevölkerung in der Frage eines Wulff-Rücktritts gespalten ist. 46 Prozent der Deutschen meinen, er sollte sein Amt zur Verfügung stellen, ebenso viele sind der Meinung, er sollte bleiben.
(L'essentiel online/sda/dapd)
Künast: «Wulff hat nur über seine Gefühle geredet»
Die Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Renate Künast sieht nach dem Fernsehinterview von Bundespräsident Christian Wulff noch offene Fragen. «Wulff hat nur über seine Gefühle geredet, aber keine der Fragen beantwortet, die das Land beschäftigen», sagte Künast der «Bild»-Zeitung (Onlineausgabe). «Niemand weiß, wie oft und wofür sich dieser Präsident noch wird entschuldigen müssen.» (dapd)