Juncker wird 60Zum Geburtstag gibt's eine lange Liste
Jean-Claude Juncker spielt bereits sein halbes Leben auf dem Brüsseler Parkett. Nun muss er als Kommissionschef die EU zusammenhalten.

Zufall oder nicht: Pünktlich zum 60. Geburtstag von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wird an diesem Dienstag eine lange Liste mit 2000 möglichen Wachstumsprojekten für Europa präsentiert. Der Luxemburger hat aus dem milliardenschweren Investitionsplan ein Herzensanliegen gemacht. Die Erwartungen, vor allem im Süden des Kontinents, sind nach harten Jahren der Krise enorm. «Wir müssen eine Antwort finden auf die Investitionspanne», lautet Junckers Credo.
Der Christsoziale ist zwar ein EU-Profi, der seit drei Jahrzehnten auf der Brüsseler Bühne präsent ist. Doch der Start seiner neuen Kommission mit 18 Männern und 9 Frauen verlief reichlich turbulent und alles andere als geordnet. Das lag vor allem an Medien-Enthüllungen über Steuerpraktiken in Junckers Heimatland Luxemburg, mit denen Großkonzerne ihre Steuerlast drücken können.
18 Jahre Premierminister
Juncker, der 18 Jahre lang als Premier das Großherzogtum regierte, kam in Erklärungsnot. Im Europarlament überstanden er und seine Mannschaft ein Misstrauensvotum. Der EU-Veteran räumte in der Affäre zwar Versäumnisse ein. Doch in der Sache blieb er dem Motto «Je ne regrette rien» («Ich bereue nichts») treu. Angesichts der Stahlkrise in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts habe Luxemburg nicht anders handeln können. «Unsere Wirtschaft musste vielseitiger werden», sagte er unlängst der französischen Zeitung «Le Monde».
Juncker trat im November an, um für «frischen Wind in Europa» sorgen. Er weiß genau, dass seine Kommission «der letzten Chance» konkrete Ergebnisse für die Europäer bringen muss. Viele Bürger nehmen die EU als ein anonymes Gebilde wahr, das neue Regeln erfindet und gebeutelten Staaten Sparmaßnahmen diktiert.
Sprachbegabt und umstritten
«Wir sind keine Bürokraten», wendet der vielsprachige Chef der EU-Behörde ein. Der frühere Euro-Retter vermeidet zu Anfang seines Mandats Krach mit den Hauptstädten - und gibt sich geschmeidig. Die schuldengeplagten Eurostaaten Frankreich und Italien bekamen eine Extra-Frist bis März, um ihre Budgets in Ordnung zu bringen. Die Hauptaufgaben eines Kommissionschefs, so wie es Juncker sieht: Zuhören und rechtzeitig mögliche Reaktionen in nationalen Parlamenten und in der Öffentlichkeit spüren.
Juncker stand für Europa zur Verfügung, da er nach der vorzeitigen Parlamentswahl in seiner Heimat vor einem Jahr das Amt des Premiers aufgeben musste. Vorausgegangen war eine Geheimdienstaffäre, in deren Verlauf er Mängel bei der Aufsicht der ihm unterstehenden Agenten einräumen musste. Die Ära Juncker dauerte im Großherzogtum lange - von Januar 1995 bis Dezember 2013 war er Premier. Der Mann, der von Helmut Kohl einst «Junior» genannt wurde, war zuletzt dienstältester Regierungschef der EU.
Die Last des europäischen Spitzenamts sieht man Juncker an, manchmal geht er gebückt und wirkt müde. Er wird seine exzellenten Kontakte nutzen müssen, um in den kommenden Jahren die Union zusammenzuhalten. Dabei kommt es besonders auf Großbritannien an. Dessen konservativer Premier David Cameron will die Bevölkerung 2017 über die EU abstimmen lassen, falls er kommendes Jahr die Wahl gewinnt. Juncker gilt zwar als Taktiker, schreckt aber vor deutlichen Worten nicht zurück. «Ich habe kein Problem mit Herrn Cameron», meinte er unlängst. «Herr Cameron hat ein Problem mit den anderen Regierungschefs.»
(L'essentiel/dpa)